1. Corn&Oil Market Recap: Die 1.000.000‐Dollar‐Frage!
Liebe Leserinnen,
Liebe Leser,
würde man das aktuelle Geschehen an den Finanzmärkten in eine Quizshow übersetzen, dann
lautete die 1 Million Dollar Frage sicherlich: „Befindet sich die amerikanische Wirtschaft in einer
Rezession oder nicht?“ Des Weiteren könnte man problemlos die Kür vollziehen, indem man auch
die Antwort auf die Frage: „Wohin geht der amerikanische Aktienmarkt in den nächsten sechs
Monaten?“ parat hätte.
In der Tat scheint es um die amerikanische Wirtschaft sehr schlecht bestellt zu sein, wenn man den
Aussagen der vielen Analysten, Journalisten und sonstigen Reportern und Kommentatoren Glauben
schenken mag. Es stellt sich jedoch an dieser Stelle die wichtige Frage, ob all diese Menschen zur
gleichen Zeit richtig liegen können. Selbstverständlich gab es vor wenigen Wochen eine Phase
innerhalb derer es um die internationalen Banken nicht sehr gut stand und die UBS sowie die
Citigroup mit jeweils fast 40 Milliarden USD an Abschreibungen das globale Finanzsystem ins Wanken
brachten. Auch die Royal Bank of Scotland setzte eins drauf indem eine der größten
Kapitalerhöhungen mit einem Volumen von 15 Milliarden USD durchgeführt werden musste.
Dennoch konnte diese schwere Krise sehr gut überstanden werden, vor allem auch deshalb, da die
Staatsfonds der asiatischen und arabischen Länder Gewehr bei Fuß standen, um Anteile an den
internationalen Großbanken für Schnäppchenpreise zu erwerben.
Man mag diesen Fonds in den Medien vorwerfen, dass sie nicht strategisch im Sinne der
Investmentallokation investieren, jedoch muss man diesen Anlagevehikeln und ihren Lenkern
eigentlich danken, da es sehr fraglich ist ob die Finanzbranche einen derartigen Einbruch
überstanden hätte, wenn nicht Milliarden aus vielen Ländern im Osten geflossen wären. Momentan
gehe ich stark davon aus, dass wir das Schlimmste überstanden haben und auch der jüngste
Ausbruch des amerikanischen Standard & Poors 500 Index über die Marke von 1400 Punkten
gemessen am aktiven Juni Future, scheint mir Recht geben zu wollen.
Auf die Frage ob sich die U.S.A. in einer Rezession befinden, scheint mir ein klares „Nein“ angebracht,
da eine Rezession normalerweise anders aussehen sollte. Die amerikanische Notenbank, deren
oberstes Ziel es ist das Wachstum sicherzustellen, hat die Zinsschleusen geöffnet und dadurch die
Märkte ein weiteres Mal mit Geld geflutet. Dass dieses Vorgehen die Inflation anheizen wird und
diese wahrscheinlich näher in Richtung der Marke von 18 % (!!!) liegt als bei den geringen offiziellen
Schätzungen, steht außer Frage. Jedoch dürfte ein Abschwung der Wirtschaft verhindert worden
sein, was auch die jüngsten Daten des BIP beweisen. Dieses ist im ersten Quartal um 0,6%
angewachsen und signalisiert damit eine weiterhin expandierende Wirtschaft. Des Weiteren war der
Arbeitsmarkt mit einem Verlust von „nur“ 20.000 Stellen deutlich stärker als die erwarteten minus
80.000 Stellen. Auch die Arbeitslosenquote konnte mit fünf Prozent überzeugen.
Doch was bringen einem als Händler all die Daten, wenn der Markt die Lage anders sieht. Eine kurze
Befragung des Marktes und seiner Meinung zu der aktuellen Situation zeigt, dass dieser auch nicht
sonderlich bärisch für die U.S.A. gestimmt ist. Kupfer und Rohöl, zwei wichtige Indikatoren der
Wirtschaftslage zeigen sich immer noch extrem stark und deuten damit nicht auf einen größeren
Einbruch der Gesamtwirtschaft hin. Auch der US Dollar konnte sich jüngst erholen, wobei hier
fraglich ist, ob sich dieser wirklich wieder festigen wird oder nur auf einem niedrigen Niveau
konsolidiert. Ich glaube eher an letzteres. Die amerikanischen Strategen haben sicherlich ein hohes
Interesse um sich durch den niedrigen US Dollar und den damit verbundenen gestiegenen Exporten
weiter zu sanieren. Vor allem einsetzende Carry Trades sollten auch dafür sorgen, dass der US Dollar
weiterhin schwach bleiben wird, da die U.S.A. sich mittlerweile in die Region der Niedrigzinsländer
wie die Schweiz oder Japan eingereiht haben. Carry Trades des US Dollar gegenüber dem New
Zealand Dollar, Australischen Dollar oder dem britischen Pfund scheinen momentan wieder en
vogue.
Abschließend soll noch die Antwort auf die Frage gegeben werden, wo der amerikanische
Aktienmarkt in sechs Monaten stehen könnte. Hierfür hat die Ratingagentur Standard & Poors in
ihrem wöchentlich erscheinenden Research Report „The Outlook“ eine interessante Untersuchung
angestellt und diese auch veröffentlicht. S&P geht davon aus, dass der amerikanische Aktienmarkt in
den kommenden sechs Monaten gut 20 Prozent höher stehen könnte. Die Analysten kamen zu
diesem Schluss, nachdem der Zusammenhang zwischen dem amerikanischen Verbrauchervertrauen
und der Entwicklung des Aktienmarktes, sechs Monate nach einem Tiefststand ermittelt wurde.
Unter der Überschrift „Bearish consumers are bullisch for stocks“ wurden diese Ergebnisse
veröffentlicht.
Es lässt sich festhalten, dass ein Tiefpunkt im Verbrauchervertrauen grundsätzlich zu steigenden
Kursen während der darauffolgenden sechs Monate geführt hat. Bis auf das Jahr 1973, wo der
Aktienmarkt im Anschluss fast unverändert notierte, konnten jeweils satte zweistellige Gewinne
eingefahren werden. Der Indikator von Standard & Poors hat somit eine Trefferquote von
beachtlichen 80% und sollte in Anbetracht des jüngsten Ausbruchs des S&P 500 über die Marke von
1400 Punkten als relevant eingestuft werden.
US‐Dollar und Rohstoffe – eine interessante Korrelation!
Bei einer Analyse der Korrelationen des Rohstoffmarktes fiel mir auf, dass aktuell fast alle an den US
Börsen gehandelten Rohstoffe stark bis sehr stark zum US Dollar korreliert sind. Für den
Nichtstatistiker bedeutet dies, dass ein Anstieg des US Dollar zu einem Abverkauf der
entsprechenden Rohstoffe mit einer negativen Korrelation führt. Obwohl dieser Zusammenhang den
meisten Händlern (auch mir) bewusst war, war ich dennoch überrascht wie viele Rohstoffe in
Wirklichkeit negativ zum US Dollar korreliert sind.
Die einzigen Rohstoffe die nicht negativ zum US Dollar korreliert sind, befinden sich im Fleischsektor
mit Mastrind, Magerschwein und Lebendrind sowie bei den Weichwaren mit Orangensaft sowie der
Exot Bauholz. Von den übrigen Rohstoffen weisen alle bis auf Kaffee mit nur ‐28 einen
Korrelationswert von über ‐60 auf und können dadurch als stark negativ korreliert bezeichnet
werden. Prinzipiell könnte man nun sagen, dass es sich nicht mehr lohnt Rohstoffe zu handeln
sondern nur noch den US Dollar. Dieser bewegt ohnehin die meisten Rohstoffe entweder nach unten
oder oben.
Allerdings können sich Korrelationen sehr schnell verändern und bezüglich meiner Einschätzung, dass
der US Dollar ein Tief gesehen haben könnte jedoch auf niedrigem Niveau konsolidieren wird, ist
davon auszugehen, dass der Trend im Rohstoffsektor weiter gehen sollte. Jedoch besteht natürlich
auch die Möglichkeit, dass ich falsch liege und der US Dollar zu neuer Kraft erstarkt. In einem solchen
Fall muss man sich wirklich Gedanken machen, wie man die Anlageklasse Rohstoffe handelt, da eine
Diversifikation zwischen Agrarrohstoffen und Edelmetallen dann nichts mehr bringen würde, da
beide Sektoren im Falle eines starken US Dollar in die Knie gehen werden. Ich gehe jedoch nicht
davon aus, dass ein Erstarken des US Dollar ein Ende der Rohstoffhausse bedeutet. Die
Auslandsnachfrage würde schrittweise abnehmen, jedoch gibt es bei vielen Rohstoffen dennoch sehr
gute fundamentale Hintergrunddaten, weswegen die Hausse sich ‐ wenn auch langsamer ‐ fortsetzen
sollte. Die alten Faktoren wie eine wachsende Weltbevölkerung, steigender Wohlstand, eine sich
beschleunigende Inflationsrate sowie das große Wachstum in den Emerging Markets bleiben
unverändert bestehen.
Corn&Oil Newsletter – Ausgabe 13 vom 5. Mai 2008
Wilhelm Busch: "Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders, als man glaubt."
Gruß Pichel