Wie schön, dass jetzt endlich alles vorbei ist: die Banken werden schon in den nächsten Quartalen wieder 1A-Ergebnisse abliefern, die Kredite werden sprudeln, die Hauspreise wieder steigen, mit einem Wort: alles wird wieder so schön wie früher.
Klingt naiv? Mag sein, ist aber in etwa genau das, was aktuell die Aktienmärkte zu glauben scheinen. Denn anders lassen sich die Rallys der letzten Tage schlicht nicht erklären.
Genaugenommen passen die jüngsten Kursverläufe weder in die Realität der makro-ökonomischen Fakten, noch mit den Einschätzungen zur Kreditkrise zusammen, wie sie noch vor ein paar Wochen gemacht wurden. War da nicht von “der schwersten Finanzkrise seit der Großen Depression” die Rede? Und hatten nicht dieselben Großbanker und Wallstreet-Titanen, die uns jetzt beruhigen, das schlimmste wäre überstanden, noch vor ein paar Wochen förmlich drum gebettelt, dass ihnen der Staat zuhilfe eilen möge, weil es da draußen, in der rauhen, weiten Welt des Kapitalismus gar so fürchterlich zuginge? Und jetzt also alles wieder vorbei, und deshalb mit Vollgas nach vorne?
Notabene: mir ist bekannt, dass an der Börse nicht die Gegenwart gehandelt wird, sondern die Zukunft. Aber ziemlich offensichtlich legen die Börsianer, die sich jetzt den DAX bei 7.000 wieder ins Depot packen, einen Optimismus an den Tag, der sich anhand der Facts nur schwer nachvollziehen läßt.
Nehmen wir die jüngste “gute Nachricht” von gestern, die des 0,6%-Wachstums des US BIP. Erwartet worden waren ja bekanntlich nur 0,2%-Wachstum, daher: super Nachricht, alles wird gut, Kaufen! Kaufen! Kaufen! - Sieht man sich aber mal die Details an, dann wird schnell klar, die Zahlen sind alles andere als gut:
* Zunächst einmal kam der 0,6%-Anstieg nur aufgrund eines Anstiegs der Läger zustande, und nichts anderes. Rechnet man diese raus, dann war der Zuwachs der nicht nur produzierten sondern auch verkauften Wirtschaftsleistung bereits negativ, nämlich mit -0,2%. Die Läger gingen nämlich um sage und schreibe 0,8% in die Höhe. Weil wir aber als Börsianer ja an der Zukunft interessiert sind, und nicht an der Gegenwart, sollte uns interessieren, was das für die nächsten Quartale bedeuten wird: einen noch stärkeren Einbruch! Warum? Weil der Aufbau der Läger in der aktuellen Situation keineswegs im Vorgriff auf eine rasant ansteigende Nachfrage erfolgt ist, sondern aus dem simplen Umstand resultiert, dass Produktion und Beschäftigung nicht schnell genug der gesunkenen Nachfrage angepaßt werden konnten....
*Desweiteren kann es den Börsenbullen unmöglich entgangen sein, dass der private Wohnungsbau in den USA nun bereits rund 27% annualisiert eingebrochen ist. Und das ist noch nicht mal die volle Wahrheit, denn wie schon in der 0,6%-”Headline” oben gilt auch hier: dieser Einbruch bezieht sich nicht auf verkaufte Einheiten, sondern auf produzierte Einheiten! Die schaurige Wahrheit ist aber die, dass wir bereits mit Rekordlagerständen an unverkauften Häusern in diese Krise gestartet sind und die Zahl der verkauften Häuser seither deutlich stärker und schneller eingebrochen ist, als die Produktion derselben.......vor allem aber bedeutet es andererseits, dass auch diese Häuser irgendwann auf den Markt geworfen und abverkauft werden müssen. Ohne, dass dagegen neue produziert werden, sich also viele Bauarbeiter, Architekten und ähnliche Berufsgruppen sich das Geschehen wiederum aus dem “idle state” ansehen dürfen, wie es bei den Amis so schön heisst. Und natürlich mit einem weiteren Verfall bei den Hauspreisen, einhergehend mit einer Höhe der Hypothekenausfälle, damit einem weiteren Wertverlust bei den diversen Hypothekenfinanzprodukten, womit wir schwuppdiwupp wieder beim Ausgangspunkt wären, nämlich denselben Banken, deren Bosse uns nun weismachen wollen, es wäre alles vorüber.
Und weil es gar so schön aufschlußreich ist, bleiben wir noch kurz beim US GDP: dass die “reale” Wirtschaft schlimmeres befürchtet, erkennt man sehr gut auch daran, dass nunmehr alle Komponenten der Privaten Investitionen, d.h. private wie gewerbliche Bautätigkeit als auch Unternehmensinvestitionen, negative Wachstumsraten aufweisen. Es handelt sich also längst nicht mehr um eine “Finanzkrise”, deren Fortbestehen durch die Geschäfts- und Zentralbanker richtig prognostiziert oder gar verhindert werden könnte. Sondern es handelt sich um einen echten, zyklischen Abschwung, ein “Deleveraging” auf breiter Front, das nach vorliegenden Makro-Zahlen noch nicht mal richtig begonnen hat, auf das sich die einzelnen Player aber offenbar einstellen.
Kehren wir aber nun, bevor wir uns in der bitterkalten, frostigen Welt der Realwirtschaft noch einen Schnupfen holen, wieder zurück in die flauschig-warme Stube unserer Geschäfts- und Zentralbanker. Onkel Ben hat den Kamin angeheizt, Tante BoE serviert uns heissen Kakao … Onkel Ben, stellst du bitte mal den Fernseher an, wollen mal gucken, wo der Dow steht. - 13.000?! Hach, so läßt es sich aushalten. Ist halt doch alles nicht so schlimm, wenn man nur die richtige Perspektive hat.
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