News - 01.03.08 12:06
Marktausblick: Rezessionsangst lähmt Finanzmärkte
Analysten blicken pessimistisch in die kommende Handelswoche. Grund ist die Furcht vor weiteren schlechten US-Konjunkturdaten. Bereits in dieser Woche litten die Märkte unter einer Kette schlechter Neuigkeiten.
Schlechte Nachrichten hatten bereits zum Wochenschluss die Aktien- und Kreditmärkte belastet und zu Gewinnen bei Staatsanleihen geführt. "Die Kombination aus schlechten Nachrichten von den Monolinern, von der Konjunktur, von den Unternehmensergebnissen her und die Aussagen von Ben Bernanke - das macht den Markt platt", sagte Jochen Felsenheimer, Leiter der Unicredit-Kreditanalyse mit Blick auf die Stimmung an den Finanzmärkten. Auch für die nächste Woche bleibt er skeptisch.
US-Notenbankchef Ben Bernanke schockierte die Märkte am Donnerstagabend mit der Aussage, einige kleinere US-Banken würden im Zuge der Finanzmarktkrise wohl pleite gehen. Hinzu kamen Rekordverluste bei den beiden wichtigsten amerikanischen Hypothekenfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac. Am Freitag drückten Hiobsbotschaften von den Anleiheversicherern sowie ein fallender Chicagoer Einkaufsmanagerindex die Stimmung.
Der S&P 500 verlor im Wochenvergleich 1,7 Prozent, der Nasdaq Composite sackt um 1,4 Prozent ab. In Großbritannien hielt sich der FTSE 100 beinahe unverändert. Der europäische Stoxx 50 verlor um 0,34 Prozent auf 3724,5 Punkte, und der Dax sank um 0,85 Prozent auf 6748,13 Zähler.
Schwache US-Konjunkturdaten erwartet
"Es steht nichts an, was eine Erholung rechtfertigen könnte, und die anstehenden Konjunkturdaten aus den USA dürften nicht besonders rosig ausfallen", sagte Marktstratege Christian Schmidt von der Helaba mit Blick auf den deutschen Aktienmarkt. Daran werden nach Ansicht von Analysten auch anstehende Unternehmenszahlen von Dax-Werten nichts ändern, darunter die des Energieriese Eon , der Deutschen Post , der Postbank oder des Sportbekleidungsherstellers Adidas .
Aktienanalyst Marc-Gregor Czaja von der LBBW begründet das unter anderem mit den Wachstumsprognosen der Unternehmen für das laufende Jahr. Er rechnet damit, dass die Gewinne bei den Banken-, Versicherungs- und Technologiewerten sinken.
Die teilweise enorm günstige Bewertung einiger europäischer Aktien spaltet die Strategen. Die Investmentbank Credit Suisse etwa bleibt aus diesem Grund nach wie vor übergewichtet in Aktien. Auch die DZ Bank empfiehlt den Anlegern deutsche und europäische Standardwerte auf Grund der günstigen Bewertungen. Beide Häuser warnen jedoch vor möglichen kurzfristigen heftigen Kursausschlägen.
Es gibt aber auch Skeptiker: "Es fällt auf, dass diese optisch billigen Titel in der Regel auch mit einem spezifischen Branchenrisiko behaftet sind", sagte Eberhard Weinberger, Chefstratege der Fondsgesellschaft DJE. In der niedrigen Bewertung sei eine Risikoprämie enthalten, wobei deren Abbau zumindest kurzfristig fraglich sei. "Teuere Aktien sind hingegen oft weniger risikoreich, hier werden die Performanceerwartungen aber durch die Bewertung gedämpft", sagte er weiter.
In den USA haben sich die Anleger bereits entscheiden. Sie zogen aus US-Aktienfonds im Januar so viel Kapital ab wie seit dem Juli 2002 nicht mehr. Insgesamt wurden Fondsanteile im Wert von 44,8 Mrd. $ verkauft, wie das Investment Company Institute am Freitag mitteilte.
Die Ertragssaison neigt sich in den USA dem Ende zu, und so blicken die Anleger mit Spannung auf die zahlreichen Konjunkturdaten, die kommende Woche veröffentlicht werden - darunter der US-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe am Montag, der Konjunkturbericht der US-Notenbank Fed (Beige Book) am Mittwoch und die Arbeitsmarktdaten am Freitag. "Wir werden diese Woche genau auf die Daten schauen, denn wir befinden uns so gut wie am Rande einer Rezession," sagte Alfred Goldman, Chefmarktstratege bei dem Researchhauses A.G. Edwards. Laut einer Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen gehen ohnehin bereits 50 Prozent der Experten davon aus, dass eine Rezession bevorsteht.
Nicht nur Rezession bleibt ein Thema an der Wall Street. Denn die Produzentenpreise sind gestiegen und haben dadurch auch Inflationsängste neu verstärkt. Der Dollar ist gegenüber dem Euro gleich drei Tage hintereinander eingebrochen, die Gemeinschaftswährung kletterte über die Marke von 1,52 $. Auch gegenüber einer Reihe anderer Währungen verlor der Greenback an Wert. Der Preis pro Barrel (159 Liter) Rohöl stieg zuletzt auf ein Rekordpreis von 103 $. Sollte der Ölpreis auf dem Niveau bleiben, dann würde auch die Inflation verstärkt.
Der Euro wird nach Meinung der Experten auf Rekordkurs bleiben. "Die US-Daten verschlechtern sich, die Fed ist zu Zinssenkungen bereit, und die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt in der Geldpolitik hart. Solange das so bleibt, kann der Euro weiter steigen", sagte Valentin Hofstätter, Renten- und Devisenanalyst der Raiffeisen-Zentralbank Österreich (RZB). Denn die Zinsdifferenz zwischen den USA und der Eurozone steigt dadurch weiter.
In der kommenden Woche ist noch nicht mit einer Wende der EZB zu rechnen, auf Dauer aber schon: "Die Konjunkturdaten aus der Eurozone trüben sich bereits ein, in Deutschland sind die Zahlen noch gut, aber in Italien oder Spanien sieht es anders aus", sagte Ian Stannard, Devisenstratege von BNP Paribas. "Die Zeitverzögerung zwischen der Abkühlung in den USA und in Europa wird groß genug sein, so dass der Euro gegenüber dem Dollar höher steigen könnte, als wir gedacht haben", schrieb Stephen Jen, Devisenstratege von Morgan Stanley und bekennender Dollar-Optimist.
"Unser längerfristiges Bild bleibt unverändert: Die EZB wird ihre Leitzinsen letztlich senken müssen, die USA schrammen an einer Rezession vorbei, und der Dollar kann sich später deutlich erholen", schrieb Unicredit. "Kurzfristig gibt es für den Euro aber noch ein Zeitfenster, in dem er noch bis auf 1,55 $ steigen könnte. In dieser Woche erreichte der Euro ein Rekordhoch von 1,5239$.
Rentenmärkte dürften profitieren
Die Rentenmärkte dürften von der schlechten Stimmung weiter profitieren, zumal die meisten Experten enttäuschende Konjunktursignale aus den USA erwarten. "Hier ist mit eher schwachen Zahlen und damit mit wieder zunehmenden Rezessionssorgen zu rechnen, so dass die jüngste Erholungstendenz bei Renten eine Fortsetzung finden dürfte", schrieben die Helaba-Analysten. In der abgelaufenen Woche fielen die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen in den USA 38 Basispunkte und in Europa 15 Basispunkte.
"Der Anleihemarkt ist extrem überteuert, aber solange noch mit schlechten Konjunkturindikatoren zu rechnen ist, empfehlen wir den Anlegern weiter, drin zu bleiben", sagte Hofstätter. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Bondrenditen ihr Tief schon erreicht hätten, zumal die weitere Verschärfung des Konjunktureinbruchs auch noch einmal zu einem starken Anstieg der Risikoaversion auf den globalen Finanzmärkten führen sollte. Von den Negativnachrichten aus den USA dürfte seiner Einschätzung nach auch der europäische Anleihemarkt weiter profitieren. Etwas skeptischer ist die DZ Bank, angesichts der zuletzt guten Daten aus der Eurozone.
Von Ute Göggelmann und Yasmin Osman (Frankfurt) und Ning Wang (New York)
Quelle: Financial Times Deutschland