aus der FAZ:
Die amerikanische Quartalssaison ist bislang so enttäuschend verlaufen wie seit Jahren nicht. Die Unternehmen haben eine Serie von schlechten Ergebnissen vorgelegt. Vorläufiger Tiefpunkt war Mitte der Woche der Milliardenverlust der Investmentbank Merrill Lynch, der für weitere Verunsicherung an der Wall Street gesorgt hat.
Der Dow-Jones-Index der 30 führenden Industriewerte brach am Mittwoch zwischenzeitlich um fast 200 Punkte ein, konnte die Verluste immerhin bis Handelsschluss wettmachen. Schon in der vergangenen Woche hatten schwache Zahlen und Ausblicke die Wall Street nervös gemacht und zum Absturz des Dow Jones um 367 Punkte am Freitag beigetragen.
Gewinnrückgang bei Standardwerten vorausgesagt
Der Finanzinformationsdienst Thomson Financial senkt ständig die Gewinnprognosen für die Werte des Börsenindex S&P 500. Nach dem Dämpfer von Merrill Lynch sagt Thomson nun den Standardwerten im dritten Quartal einen Gewinnrückgang von 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr voraus. Thomson errechnet diesen Wert aus den schon vorgelegten Zahlen und den Schätzungen für die Unternehmen, die ihre Ergebnisse noch nicht veröffentlicht haben.
Noch Ende vergangener Woche hatte Thomson ein geringeres Minus von 0,1 Prozent prognostiziert, Anfang Oktober wurde sogar ein Plus von 3,6 Prozent erwartet. Selbst dieser Wert hätte eine starke Abschwächung bedeutet: Im zweiten Quartal hatten die Unternehmen des S&P 500 einen Gewinnzuwachs von 7,7 Prozent geschafft, im ersten Quartal waren es 7,9 Prozent. Davor hatte es eine lange Serie von 14 Quartalen mit jeweils zweistelligen Gewinnzuwächsen gegeben.
Kreditausfälle sorgen für Vertrauenskrise
Klares Schlusslicht der Quartalssaison ist der Finanzsektor, für den Thomson nun ein Gewinnminus von 16 Prozent erwartet. Ende vergangener Woche lag die Prognose noch bei minus 11 Prozent. In den Zahlen der Banken hat sich die Krise in den Hypotheken- und Kreditmärkten voll niedergeschlagen.
Sie waren zu hohen Wertkorrekturen auf Hypotheken an Kunden mit niedriger Bonität (“Subprime“) und aus davon abgeleiteten Finanzinstrumenten gezwungen. Kreditausfälle in diesem Segment haben in einer Kettenreaktion für eine Vertrauenskrise an den internationalen Aktienmärkten gesorgt.
Am härtesten hat es nun Merrill Lynch getroffen: Die Investmentbank hat fast 8 Milliarden Dollar abgeschrieben und damit mehr, als sie im gesamten vergangenen Jahr verdient hat. Das bescherte Merrill Lynch einen Quartalsverlust von 2,2 Milliarden Dollar.
Quartalssaison von Anfang an schlecht
In der vergangenen Woche hatte bereits der größte amerikanische Finanzkonzern Citigroup einen Gewinneinbruch um 57 Prozent auf 2,4 Milliarden Dollar gemeldet. Die Bank of America, Nummer zwei in der Branche, musste einen deutlich höheren Gewinnrückgang als erwartet um 32 Prozent auf 3,7 Milliarden Dollar hinnehmen.
Die laufende Quartalssaison stand von Anfang an unter keinem guten Vorzeichen: Der Aluminiumkonzern Alcoa gab vor zwei Wochen den Startschuss mit schwächeren Zahlen als erwartet. Alcoa wird eine Indikatorfunktion für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung beigemessen, weil Aluminium in den Produktionsprozessen vieler konjunktursensibler Branchen eingesetzt wird.
Eine weitere Enttäuschung eines konjunkturabhängigen Dow-Jones-Werts kam am vergangenen Freitag, als der Baumaschinenhersteller Caterpillar schwache Zahlen vorlegte und die Prognose senken musste. Caterpillar verschlechterte die Börsenstimmung zudem mit der düsteren Aussage, die amerikanische Wirtschaft stehe am Rande einer Rezession.
Unternehmen im Gesundheitswesen Gewinner
Die Gewinner des dritten Quartals werden nach Einschätzung von Thomson Financial Unternehmen im Gesundheitswesen sein, also zum Beispiel Werte aus der Pharmabranche. Thomson sagt ein Gewinnwachstum von 14 Prozent voraus. Aber auch hier sorgten Unternehmen wie Pfizer und Schering-Plough für Enttäuschung.
Bei Technologiewerten erwartet Thomson ebenfalls ein klares Wachstum von 12 Prozent. Hier gab es bisher Glanzlichter: Die Internetgesellschaft Google, der Mikrochiphersteller Intel und der Computer- und Unterhaltungselektronikkonzern Apple legten hervorragende Zahlen vor. Auf die Zahlen der Online-Händler Ebay und Amazon.com reagierte die Börse dagegen mit Kursabschlägen.
Für das Schlussquartal dieses Jahres wird bisher ein deutlicher Aufschwung erwartet. Thomson Financial sagt ein Gewinnwachstum von 10 Prozent voraus. Die Tendenz geht aber nach unten, Ende vergangener Woche lag die Prognose noch bei 10,4 Prozent. Auch Merrill Lynch, der große Verlierer des dritten Quartals, wollte keinen Optimismus verbreiten: Vorstandschef Stan O'Neal sagte, das Umfeld im „Subprime“-Geschäft bleibe unsicher.