Geld als Waffe: Warum die Russland-Sanktionen gefährlich sind
Kurzfristig werden die Sanktionen Russland hart treffen. Langfristig aber gefährden sie das Fundament, auf dem das internationale Finanzsystem basiert und schwächen die Position des Westens.
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Oliver Baron - Experte für Anlagestrategien
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Die Devisenreserven einer Notenbank bei anderen Notenbanken sind normalerweise sakrosankt. Das internationale Finanzsystem basiert darauf, dass sich die Notenbanken gegenseitig vertrauen und auch bereit sind, große Mengen an Devisenreserven im Ausland bei anderen Notenbanken zu halten. Die Russland-Sanktionen könnten nun eine Zäsur bedeuten, weil nun erstmals auch die Guthaben einer bedeutenden Notenbank im Ausland eingefroren wurden und diese keinen Zugriff mehr darauf hat. Im Einzelfall hatte es ähnliche Sanktionen zwar bereits in der Vergangenheit gegeben, allerdings war davon niemals ein Land in der Größe und Bedeutung von Russland betroffen.
Während die Sanktionen kurzfristig Russland stark belasten und die Wirtschaft des Landes in eine schwere Krise stürzen dürften, könnten sie langfristig auch sehr negative Folgen für den Westen haben. Darauf haben zuletzt mehrere Währungsexperten hingewiesen.
Das Problem: Nicht-westliche Notenbanken werden es sich künftig genau überlegen, welchen Anteil ihrer finanziellen Reserven sie bei Notenbanken der westlichen Länder halten werden bzw. im Westen investieren werden, wenn sie im Konfliktfall damit rechnen müssen, dass ihre Devisenreserven eingefroren werden und diese damit zumindest vorübergehend wertlos werden.
Dylan Grice, Co-Gründer der Investmentfirma Calderwood Capital etwa schrieb auf Twitter, dass man es zuvor noch nie in diesem Ausmaße gesehen habe, dass Geld als Waffe eingesetzt werde. Zugleich warnte Grice davor, dass China nun bestrebt sein dürfte, seine Dollar-Abhängigkeit weiter drastisch zu verringern. "Man kann diese Karte nur einmal ausspielen. China wird es zur Priorität machen, keine Dollar zu benötigen, bevor es nach Taiwan geht. Es ist ein Wendepunkt in der Geldgeschichte: Das Ende der Dollar-Hegemonie & die Beschleunigung hin zu einer bipolaren Geldordnung", schrieb Grice.
Kleinere Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika dürften westlichen Notenbanken künftig weniger stark vertrauen, als sie es bisher taten. Kann China glaubhaft vermitteln, dass die Devisenreserven dieser Länder in China auch im Falle eines Konflikts mit westlichen Ländern sicher sind, könnte das die Attraktivität des chinesischen Yuans auf Kosten des US-Dollars langfristig deutlich steigern. Da viele Länder in Asien und Afrika inzwischen ohnehin mehr Handel mit China treiben als mit westlichen Ländern, wäre es nur natürlich, dass ein größerer Teil der Devisenreserven künftig auch nicht mehr im Westen angelegt wird.
Die Russland-Sanktionen sind ein zweischneidiges Schwert. Kurzfristig dürften sie genau das erreichen, was der Westen bezweckt: Eine deutliche, fast schon katastrophale Schwächung der russischen Wirtschaft. Langfristig aber kratzen sie an dem Fundament, auf dem das internationale Finanzsystem basiert: Dem gegenseitigen Vertrauen der Notenbanken (auch unabhängig von Konflikten zwischen den entsprechenden Ländern) und dem impliziten Vertrauen darauf, dass Devisenreserven im Ausland nicht als Waffe eingesetzt werden.