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Dienstag, 14. Februar 2012
Griechenland überspannt den Bogen
Das Luxemburger Grollen
ein Kommentar von Wolfram Neidhard
Die Griechenland-Krise spitzt sich zu, und ein Treffen der Eurozonen-Finanzminister wird abgesagt. Athen hat einmal mehr nicht vollständig geliefert. Eurogruppen-Chef Juncker reagiert sehr gereizt. Griechenlands Partner meinen es mit ihren Forderungen diesmal ernst. Es wird Zeit, dass das auch die Verantwortlichen in Athen endlich begreifen.
Jean-Claude Juncker ist eigentlich ein geduldiger Mensch. Seit 17 Jahren ist er Regierungschef im beschaulichen Großherzogtum Luxemburg. Der Konservative schien eine Zeit lang nicht ganz ausgelastet gewesen zu sein, denn bis 2009 leitete er auch noch das Finanzressort des kleinen Landes. Seit 2005 mutet er sich auch noch das - wie sich jetzt herausstellt - schwere Amt des Chefs der Eurogruppe zu. Viele Jahre lang ging das alles gut. Der 57-Jährige regierte ein bisschen, verhandelte auf internationalem Parkett und moderierte zwischen in Streit geratene EU-Staats- und Regierungschef. Ab und zu geigte er widerspenstigen Partnern - Großbritanniens ehemaliger Premierminister Tony Blair machte diese Erfahrung - auch schon mal die Meinung.
Allerdings ist Juncker eben auch nur ein Mensch. Vor allem die europäische Schuldenkrise im Ganzen und die Eurozonen-Turbulenzen im Besonderen haben den gewieften Politiker dünnhäutig gemacht. In den vergangenen Wochen strapazierten die unzuverlässigen Griechen das Nervenkostüm des Luxemburgers. Trotz unzähliger Beratungen mit den Athener Vertretern ging es mit dem Pleiteland nicht voran. Eine Sparrunde jagte die nächste. Seitens der Griechen wurden Versprechungen gemacht, die später nicht eingehalten wurden. In der Eurogruppe rumorte es zunehmend - vor allem die Forderungen des größten Vertreters Deutschland, Griechenland endlich zu einer seriösen Haushaltspolitik zu zwingen, musste Juncker den anderen Staaten und vor allem den Griechen nahebringen. Aber nun hat er genug von den Athener Kapriolen.
Die griechische Regierung hat den Bogen überspannt. Obwohl sie wusste, dass die Finanzministerrunde auf ein Sparprogramm, das diesen Namen auch verdient, beharrt, hat sie ihre Hausaufgaben wieder nicht gemacht. Die Parteichefs von sozialistischer Pasok und konservativer Nea Dimokratia, Giorgos Papandreou und Antonis Samaras, bürgen nicht für die Umsetzung der Beschlüsse. Noch immer klafft ein Loch von 325 Millionen Euro. Die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern ziehen sich hin. Taktische Winkelzüge beherrschen die Gespräche der Athener Regierung mit den Vertretern der Troika.
Es sieht ganz danach aus, dass sich die griechischen Verantwortlichen diesmal verrechnet haben. Bislang gingen sie davon aus, dass EU, IWF und EZB schon helfen würden, wenn das Land vor dem Sturz in den Abgrund steht. Griechenlands Regierungen sind mit diesem Verhalten bislang gut gefahren. Obwohl die Umsetzung der EU-Vorgaben und der eigenen Regierungs- und Parlamentsbeschlüsse auf sich warten ließen, flossen die Milliarden. Nun hat sich die Situation für Athen dramatisch verändert. Die Partner verlangen ohne Wenn und Aber, dass die Griechen liefern. Tun sie das nicht, fließt kein Geld. Wird bis zum 20. März - Griechenland benötigt zu diesem Zeitpunkt 14,5 Milliarden Euro - kein Geld überwiesen, dann ist der Staatsbankrott da - und zwar in unkontrollierter Form.
An Bildungseinrichtungen werden Schüler, wenn sie permanent gegen die geltende Ordnung verstoßen, mit Tadel, Verweis oder Versetzung in eine andere Schule bestraft. Mit einem Staat kann man das natürlich nicht machen. Allerdings bleibt als letztes Druckmittel ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, das mit der für ihn schmerzhaften Wiedereinführung der weichen Drachme verbunden ist.
Kann das überhaupt noch verhindert werden? Bundeskanzlerin Angela Merkel verweist auf unkalkulierbare Risiken, die ein solcher Schritt mit sich brächte. Andere Politiker äußern sich in dieser Frage schon zurückhaltender: Entsprechende verbale Testballons sind bereits gestartet worden.
Der auf Griechenland lastende Spardruck darf keinesfalls unterschätzt werden. Viele Menschen befinden sich am Rande des Existenzminimums. Die Wirtschaftsleistung sinkt weiter. Aber seine eigene politische Klasse hat das Land mit jahrzehntelanger falscher Politik in diese Situation gebracht. Der Verweis darauf, dass Griechenland gar nicht erst in die Eurozone hätte aufgenommen werden dürfen, ist müßig. Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen.
Vielleicht bewirkt das Grollen aus Luxemburg Positives. Spätestens jetzt muss man in Athen begreifen, dass es Europa mit seinen Forderungen ernst meint. Vielleicht unterstützen die Koalitionsparteien ihren schwachen Regierungschef Lukas Papademos und stellen trotz Wahlkampfs ihre Interessen unter die des Landes. Den Griechen wäre das zu wünschen