Die Commerzbank besorgt sich noch mal frisches Kapital von ihren Aktionären: Als Vorstandschef Martin Blessing diese Nachricht am vergangenen Mittwoch verkündete, brach der Kurs der Commerzbank um mehr als zehn Prozent ein. Analysten änderten ihre Empfehlung von "Kaufen" auf "Verkaufen". Die Freude auf die neuen Aktien ist offenbar nicht besonders groß. Schließlich sind die Commerzbank-Aktionäre leidgeprüft. Gerade noch 1,19 Euro war die Aktie am Freitag wert; viel Luft nach unten ist da nicht mehr. Zu Beginn der Finanzkrise vor sechs Jahren hatte der Kurs noch bei 30 Euro gelegen. 96 Prozent Kursverlust in so kurzer Zeit - das mussten noch nicht einmal die armen Telekom-Aktionäre erleiden, die zu Zeiten von Manfred Krug gekauft hatten. Die große Frage ist deshalb: Sollten Anleger, die schon Commerzbank-Aktien haben, diese Kapitalerhöhung wieder mitmachen? Und ist für andere, die noch keine Aktien halten, die Kapitalerhöhung ein guter Zeitpunkt für einen Einstieg an der Börse? Leider kennt man ein wichtiges Kriterium noch nicht, um den Kauf einer Aktie zu prüfen: den Preis, zu dem die neuen Aktien ausgegeben werden. Doch es gibt Schätzungen. "Ich rechne damit, dass die Aktien nur mit einem deutlichen Abschlag verkauft werden können", sagt Philipp Häßler, Analyst bei der Bank Equinet. Kursabschläge von 30 Prozent sind in solchen Fällen keine Seltenheit. Da der Kurs der Commerzbank nicht weit über einem Euro steht, hätte das unter Umständen bedeutet, dass die Commerzbank neue Aktien mit einem Nennwert (dem Wert, der auf der Aktie zu lesen ist) von weniger als einem Euro hätte ausgeben müssen. Das aber ist nach dem Aktiengesetz in Deutschland nicht erlaubt. Darum will die Commerzbank vor der Kapitalerhöhung immer zehn alte Aktien zu einer neuen zusammenlegen. Die privaten Aktionäre sollen dann ein Bezugsrecht für die neuen Aktien bekommen. "Zehn zusammengelegte Aktien dürften weniger als zehn Euro kosten", meint Analyst Häßler. Zugleich verkauft der Bankenrettungsfonds Soffin als Vertreter des Staates einen Teil seiner Aktien. Er hält im Augenblick 25 Prozent, nach der Kapitalerhöhung sollen es nur noch 18 Prozent sein. Wer bei der Kapitalerhöhung Commerzbank-Aktien kauft, könnte ganz unterschiedliche Strategien verfolgen. Entweder sagt er sich: Der Kurs ist so niedrig, der wird bald wieder steigen, und dann wird verkauft. Oder er nutzt den Kurs zum langfristigen Einstieg. "Wer für weniger als ein Jahr in die Commerzbank-Aktien investieren möchte, geht ein hohes Risiko ein", meint Konrad Becker, Bankenanalyst bei Merck Finck & Co. Im Klartext: Finger weg. Unter null kann der Aktienkurs zwar nicht sinken, weil kein Aktionär eine Aktie verkaufen würde, wenn er dafür noch Geld mitbringen müsste. Aber niemand kann vollkommen ausschließen, dass der Kurs der Commerzbank-Aktie beispielsweise irgendwann auf 20 Cent abrutscht. "Die Commerzbank befindet sich mitten in einer Umstrukturierung, und es gibt noch erhebliche Risiken", sagt Analyst Becker. Das Privatkundengeschäft sei wenig rentabel, und Erfolge bei der Restruk-turierung würden sich so schnell nicht zeigen. Die Bank habe zudem hohe Risiken aus der Immobilien-und Schiffsfinanzierung von ihrer Tochtergesellschaft Eurohypo geerbt. Und auch ihre Eigenkapitalausstattung sei, selbst nach der Kapitalerhöhung, im internationalen Vergleich schwach. Anders fällt das Urteil der Experten aus, wenn es um ein langfristiges Engagement in der Aktie geht. Wenn ein Anleger beispielsweise 10 000 Euro übrig habe, deren Verlust er zur Not verschmerzen kann, könnte er darauf spekulieren, dass die Commerzbank sich schon wieder berappeln wird - irgendwann. "Langfristig besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Commerzbank sich erholt", meint Analyst Becker. Er halte einen Konkurs der Bank auf jeden Fall für äußerst unwahrscheinlich: Schließlich gebe es nach wie vor so etwas wie eine "implizite Staatsgarantie". Profitieren könnten Anleger mit einem langfristigen Horizont auch vom Sparprogramm. Die Commerzbank streicht Stellen, das soll die Kosten senken. Becker meint: "Selbst wenn die Erträge des Privatkundengeschäftes beim schwachen Stand von 2012 verharren, sorgen die niedrigeren Kosten irgendwann für eine höhere Profitabilität." Mt so vagen Hoffnungen muss sich auch der Steuerzahler trösten. Der Staat war in der Finanzkrise bei der Commerzbank eingestiegen, um eine Katastrophe für das Finanzsystem zu verhindern. Anfangs hieß es, er könne damit womöglich sogar ein Geschäft machen. In Amerika war das bei verstaatlichten und später wieder privatisierten Banken gelungen. Bei der Commerzbank allerdings musste der staatliche Rettungsfonds Soffin, wie die anderen Aktionäre, hohe Kursverluste hinnehmen. Würde er heute alle Commerzbank-Aktien verkaufen, hätte er rund 3,3 Mlliarden Euro Verlust gemacht (siehe Grafik). Außerdem hatte der Staat der Bank Geld in Form einer sogenannten stillen Einlage geliehen. Deren Rest soll nun zurückgezahlt werden. Der Staat bekam dafür nur wenig Zinsen,weil die Bedienung dieser Einlage an die Bedingung gekoppelt war, dass die Commerzbank Gewinn macht. Und das war in mehreren Jahren nicht der Fall. Die Verluste aus entgangenen Zinsen allerdings konnte der deutsche Staat verschmerzen - weil er sich selbst in der Krise so außergewöhnlich billig Geld leihen konnte. Diese sogenannten Refinanzierungskosten sollen unter dem gelegen haben, was die Commerzbank an Zinsen und Abschlägen gezahlt hat. Immerhin. Der Niedergang der Commerzbank Der Kurs ist am Boden Aktienkurs in Euro Analysten raten ab Analysten Empfehlungen in den vergangenen 2 Monaten (in %) Mai 2008 Martin Blessing wird zum Vorstandsvorsitzenden ernannt September 2008 Kapitalerhöhung zum Kauf der Dresdner Bank. Pleite von Lehman Brothers. November 2008 Staatshilfe von 8.2 Mrd. Euro Mai 2011 1. Schritt der Kapitalerhöhung verkaufen Juni 2011 2. Schritt der Kapitalerhöhung Januar 2009 Erneute Staatshilfe von 8,2 Mrd. Euro. Der Bund erhält 25% + eine Aktie. März 2013 Ankündi gung einer neuen Kapitaler höhung halten kaufen Die Rettung wird fur den Steuerzahler teuer in Milliarden Euro Stille Einlagi Stille Einlage des Bundes Der Gewinn ist mager Konzernergebnis in Millionen Euro 1009 Im ", ■ ■ ■ -""* .720 01 02 03 04 01 02 03 04 2011 2012 Vereinbarte Zinsen (9%)i) Von der Commerzbank gezahlte Zinsen und Abschläge Verlust durch entgangene Zinsen Bund kauft für 3,47 Euro durch-schnittl. Stückpreis 1,45 Mrd. Aktien Wert der 1,45 Mrd. Aktien nach aktuellem Kurs (1,19 Euro) Buchverlust für den Steuerzahler 1) Vereinbart war, dass die Commerzbank die stille Einlage nur bedienen muss, wenn sie einen Gewinn nach Handelsgesetzbuch ausweist. Quellen: Thomson Reuters, Bloomberg, F.A.Z.-Archiv, Unternehmen, eigene Berechnungen / Foto: Jonas Wresch / F.A.Z.-Grafik Piron
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