Wie andere vor mir schon ausgeführt haben: Medikamente können schon aus Kostengründen eine Impfung nur ergänzen, aber nie ersetzen. Insofern besteht von dieser Seite keine strategische Bedrohung.
Die große Frage zur Zeit ist, wie sich die Konkurrenz letztlich schlagen wird. Dazu folgendes:
1. Tot-/Lebendimpfstoffe aus Hühnerembryos, wie z.T. aus China am Start, sind nur in relativ geringen Mengen herstellbar, weil die Verfügbarkeit an Frischeiern die Kapazität begrenzt. Darüberhinaus erzeugen sie ungezielt Immunität gegen sämtliche Proteine des SARS-CoV2-Virus. Studien haben inzwischen aber gezeigt, dass Immunität gegen Oberflächenproteine sehr kurzlebig (ca. 2 Monate) ist. Alleine die Antikörper gegen Spike-Proteine versprechen längeren Schutz. Insofern steht hier verhältnismäßig niedrige Impfeffektivität zu befürchten. Darüber hinaus ist die Arbeit mit Lebendviren riskant und störfallanfällig. Letztlich überholte und problematische Technologie, keine ernsthafte Bedrohung.
2. Vektorimpfstoffe (AZ, J&J, Russen, andere Chinesen) wirken nur bei geringer Vorimmunität gegen den Vektor. Insofern steht hier die Impfeffektivität ebenfalls in Frage. Einer der chinesischen Vektorimpfstoffe, basierend auf dem Ad5-Adenovirus, hat in der Phase 1-Studie gerade mal knapp die 50%-Hürde geschafft. J&Js Ebola-Impfstoff, auf dem Ad26-Adenovirus basierend, hat in Phase 3 in Zentralafrika auch nur etwas über 50% Impfeffektivität erreicht. Das gleiche Schicksal könnte, zumindest in Schwarzafrika und Südostasien, J&Js ebenfalls auf Ad26 basierender Corona-Impfstoff ereilen.
Besteht auf der anderen Seite keine Vorimmunität gegenüber dem Vektor, etwa weil ein Affenvirus (AZ) gewählt wurde, führt dies zu einer zweifachen Immunreaktion: Gegen das Impfziel selbst, und gegen den Vektor. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit schwerer Nebenwirkungen durch Überreaktion des Immunsystems. Ich halte es für keinen Zufall, dass die Impfstoffe, deren Phase 3 gerade pausiert, beides Vektorimpfstoffe sind (AZ, J&J).
Drittes Problem: Selbst wenn keine Vorimmunität gegen den Vektor besteht, wird sie durch den Impfstoff gebildet. Deshalb gilt als (ungestestete) Faustregel: Maximal "two shots per lifetime" mit dem selben Vektor. Damit sind Vektorimpfstoffe aus dem Rennen, sofern sich die Notwendigkeit turnusmäßiger Auffrischung zur Erweiterung des Impfschutzes auf neue Mutationen ergeben sollte.
Grundsätzlich also ebenfalls problematisch im Hinblick auf Effektivität und potentielle Nebenwirkungen, und keine Dauerlösung.
3. mRNA-Impfstoffe: Verträglichkeit sieht bislang bei BioNTech, und scheinbar auch bei Moderna, gut aus; Effektivität werden wir bald kennen. Die Technologie ist natürlich kein Monopol von BioNTech. Aber die meisten Konkurrenten (Moderna, CureVac, Thailänder) sind verhältnismäßig klein, was die aktuellen Kapazitäten angeht (300-500 Mio Dosen/Jahr), zu kapitalschwach, um jetzt schon Kapazitäten zu erweitern, und haben keine Erfahrung in der weltweiten Distribution großer Mengen. Mittelfristig eine Bedrohung, insbesondere wenn ein Großer (GSK, Merck) dort einsteigt, kurzfristig kaum.
Einzig ernst zu nehmen hier ist Sanofi, die schon vor einiger Zeit TranslateBio (mRNA - know How) übernommen haben. Die tanzen aber zur Zeit noch auf einer zweiten Hochzeit (GSK-Adjuvans mit irgendeinem Alt-Impfstoff von ihnen), und haben mit ihrem mRNA-Impfstoff gerade erst die Präklinik abgeschlossen. Sehe ich kaum vor nächstem Herbst.
4. Rekombinierte Proteine: Grundsätzlich nicht unspannend. Da tummeln sich viele innovative Kleine. Größter unter den Kleinen ist Novavax; durch die kürzlich verkündete Kooperation mit dem Serum Institute of India kämen sie auch auf ordentlich Kapazität (ca. 2 Mrd. Dosen/ Jahr). Proteine haben jedoch prinzipiell ein beträchtliches Allergiepotential, und ein zum Zwecke der Immunstimulation eingebrachtes körperfremdes Protein könnte durchaus allergieauslösend wirken. Da gilt es, Novavax Phase 3 abzuwarten, die gerade in Großbritannien angelaufen ist, und demnächst auch in den USA beginnen soll. Im Augenblick gut 3 Monate hinter BioNTech/ Pfizer zurück - ein Rückstand, der sich aufgrund wenig Erfahrung mit klinischen Studien durchaus noch vergrößern könnte (vgl. Moderna). Globale Distributionserfahrung hat Novavax nicht.
Kurz gesagt: Im Augenblick sehe ich niemanden, der BioNTech/Pfizer Platz 1 streitig machen könnte. Die meisten potentiellen Konkurrenten sind mengenmäßig zu klein. Moderna als erster "Verfolger" ist auch preislich keine Bedrohung. Zwei der Großen (AZ, J&J) verfolgen einen problematischen Ansatz (Vektorimpfstoffe), und wurden durch Pausierung der Phase 3 zeitlich zurückgeworfen. Allerdings gilt es, Novavax, mittelfristig auch Sanofi, im Auge zu halten.