Das BT und Pfizer halbe-halbe machen, ist zunächst mal nicht mehr als eine Spekulation eines Analysten. Und selbst dies halbe-halbe dürfte sich lediglich auf die Marge beziehen, und da ist ja dann auch die Frage, welche Produktions-, Vertriebs- und Verwaltungskosten Pfizer vorweg abziehen darf.
Nehmen wir mal den Wortlaut der veröffentlichten Vereinbarung auseinander:
"BioNTech erhält im Zuge der Kooperation von Pfizer insgesamt 185 Millionen Dollar. Davon entfallen 72 Millionen Dollar auf eine Barzahlung und 113 Millionen Dollar auf eine Beteiligung am Aktienkapital von BioNTech. Zudem wurden Meilensteinzahlungen mit einem Gesamtvolumen von bis zu 563 Millionen Dollar vereinbart, die allerdings an die Erreichung definierter Ziele gebunden sind."
Die Meilensteine dürften sich auf die Entwicklungsstufen, also (1) Prä-klinik, (2) Phase 1/2, (3) Phase 3, und (4) Zulassung, beziehen. Nehmen wir mal an, Zulassung erfolgt Ende dieses Jahres. Dann erhält (ohne die Kapitalbeteiligung) BT 645 Mio. USD ~ 550 Mio. . Verlust 2019 war 180 Mio. Forschungsaufwendungen dürften auch etwas hochgegangen sein, jedoch nicht viel, weil die Entwicklungskosten ja zunächst voll von Pfizer getragen werden (s.u.). Die Entwicklung des Grippe-Imfstoffs wurde jedoch zugunsten der Corona-Impfung zurückgestellt, dafür wird Pfizer 2020 (anders als 2019) wohl kaum Honorare an BT zahlen. Unterm Strich sollte BT 2020 mit einem Gewinn von ca. 300 Mio. abschliessen, falls Zulassung erfolgt (Verlustvorträge, kaum Ertragsteuern). Entspricht ca. 1,2/ Aktie mal KGV 20 = 24 fairer Kurs. Falls es keine Zulassung gibt, fällt die letzte Meilensteinzahlung aus, und der Gewinn sinkt. Unterm Strich sollte jedoch selbst dann immer noch ein positives Ergebnis 2020 stehen.
"Entwicklungskosten werden zwar zunächst von Pfizer zu 100 Prozent finanziert, sollen später aber während der Kommerzialisierung eines möglichen Impfstoffs verrechnet werden. Insgesamt sollen die Entwicklungkosten für den Covid-19-Impfstoff von beiden Unternehmen zu gleichen Teilen getragen werden."
Als Faustregel wird 1 Mrd. Kosten für einen klinische Studienzyklus (Phasen 1-3) angesetzt. Da hauen v.a. die Aufwandsentschädigungen für die Probanden, einschl. eventueller Reise- und Unterkunftskosten, rein, und die Testzentren kosten natürlich auch. Die Kosten gehen zunächst voll an Pfizer, Verrechnung erfolgt erst während der Kommerzialisierung. Wenn es mit der Zulassung nichts werden sollte, trägt Pfizer also die gesamten Entwicklungskosten.
Hälftige Aufteilung der Entwicklungskosten besagt zunächst nichts darüber, wie die Margen aufgeteilt werden. Grundsätzlich wäre auch ein Modell á la "BT vermarktet in Europa und China (via Fosun), Pfizer im Rest der Welt, beide jeweils auf eigene Rechnung" denkbar. Jedoch deutet die "Verrechnung" darauf hin, dass während der Kommerzialisierung Zahlungen Pfizers an BT vorgesehen sind, und zwar mindestens in der Größenordnung von 500 Mio., damit letztlich BTs hälftiger Kostenanteil erreichbar ist.
Mag sein, dass Pfizer sich schon im April 2020 detaillierte Gerdanken zu Kapazitätsplanung, Absatzmengen etc. gemacht hat, aber ich persönlich bezweifle dies. Die sind vermutlich zunächst schnell als long-shot eingestiegen, nachdem sich positiven Ergebnisse aus BTs präklinischer Studie abzeichneten (möglicherweise hat U. Sahin auch etwas von Roche/Genentech als alternativ in Frage kommendem Partner - Genentech liefert ja die Nano-Lipide - gemurmelt, und der Fosun-Deal erfolgte vor Pfizers Einstieg). Kapazitätsplanung kam später, das Konzept wurde erstmals zusammen mit den Phase 1/2-Ergebnissen aus den USA verkündet. Will sagen: Im April 2020 war Pfizer vermutlich noch gar nicht klar, dass sie letztlich 900 Mio. Dosen p.a. produzieren und vermarkten können. Die "Verrechnung" basierte noch auf einer deutlich niedrigeren Mengenplanung. Die Pressemitteilung vom 9.4.2020 spricht von "supply millions of vaccine doses by the end of 2020 (..) and then rapidly scale up capacity to produce hundreds of millions of doses in 2021." Also: 1 USD/ je verkaufter Pfizer-Impfstoffdosis ist für BT in jedem Fall drin, mit Luft nach oben.
https://investors.biontech.de/news-releases/...-details-collaboration
Letztlich entsprechen die "hundreds of millions of doses in 2021" der Biontech-Kapazität. Dazu passt auch, dass der gesamte Impfstoff für die klinischen Studien bei BionTech produziert wird. Daher denke ich, dass Pfizer im April 2020 noch gar keine eigene Produktion geplant hatte, sondern lediglich den Vertrieb für Biontechs Mengen übernehmen wollte ("work jointly to commercialize the vaccine worldwide"). Inzwischen will Pfizer auch selbst produzieren - sogar mindestens die doppelte Menge wie Biontech. Dies erfordert neben der Impfstoff-Lizenz, die durch die hälftige Kostenübernahme plus Lizenzzahlungen erworben sein sollte, auch noch eine Produktionslizenz für Herstellung von RNA-Impfstoffen, und wahrscheinlich technische Unterstützung, von BT. Die kostet sicher extra. Ich vermute, eine Menge extra, denn RNA-Impfstoffen gehört die Zukunft, falls sie keine unerwarteten Nebenwirkungen zeigen.
Alle entsprechenden Vereinbarungen sind getroffen worden, während Phase 1/2 lief, und bislang nicht veröffentlicht. Die Vereinbarungen dürften neben dem Corona-Impfstoff auch den bereits in Entwicklung befindlichen Grippe-Impfstoff umfassen, und vielleicht noch ein paar mehr "traditionelle" Impfungen. Irgendwann werden sie bekanntgegeben werden. Sicher nicht vor dem 14.8., um die Restabwicklung der KE nicht zu gefährden, aber ich könnte mir vorstellen, dass so Anfang September dazu was kommt, gemeinsam mit einem Zwischenbericht zum Verlauf der Phase 3-Studie. Bis dahin bleibt jede Gewinnschätzung nach oben hin spekulativ.