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Bilfinger-Chef Schulz: Warum der Mannheimer Konzern von der Energiekrise profitiert
Der Vorstandschef, seit März im Amt, sieht den Industriedienstleister gerade gut positioniert. Gleichzeitig spart der Atomkraft-Anhänger Schulz nicht mit Kritik an der deutschen Energiepolitik
12.10.2022 VON BETTINA ESCHBACHER
Ein „technikverliebter Ingenieur“: Thomas Schulz ist seit März Vorstandschef von Bilfinger.
Ein „technikverliebter Ingenieur“: Thomas Schulz ist seit März Vorstandschef von Bilfinger. © CHRISTOPH BLÜTHNER
Mannheim. Herr Schulz, Sie gelten als Skandinavien-Fan, haben jetzt mehrere Jahre in Dänemark gelebt. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, sich in Deutschland und der Region hier einzugewöhnen?
Thomas Schulz: Als Fan würde ich mich nicht bezeichnen. Ich habe lange Jahre dort gelebt und auch mit der skandinavischen Kultur, dem speziellen Führungsstil gearbeitet. Aber meine Familie und ich haben in vielen anderen Ländern gewohnt, da können wir uns schnell umstellen. Und für einen Deutschen ist es ja doch ein Nachhause-Kommen. Außerdem kenne ich die Region - ich habe in den 1990er Jahren in Ketsch bei Svedala gearbeitet. Und mir hat es hier gut gefallen, vor allem Schwetzingen und der Schwetzinger Spargel - einen besseren gibt es nicht! Es ist schon eine sehr schöne Ecke hier.
Nach 25 Jahren im Ausland - was ist Ihnen bei Ihrer Rückkehr nach Deutschland aufgefallen?
Schulz: Dass es einen großen Unterschied zwischen der eigenen und der Wahrnehmung im Ausland gibt. Deutsche sind sehr negativ, was ihr Land und ihr eigenes Tun betrifft. Das finde ich sehr schade, es ist doch ein Land mit vielen Weltmarktführern, einer guten Ausbildung, einem guten Lebensstandard. Aber anders als vor 25 Jahren werden Probleme, die man früher strukturiert angegangen ist, einfach zerredet. Gleichzeitig werden Regeln festgelegt, aber nicht richtig kommuniziert, wie zum Beispiel für das Impfen. Ich bin dafür, den Menschen die Dinge sachlich zu erklären, sie zu motivieren, anstatt zu drohen und Panik zu schüren. Das gilt auch für die Energiekrise.
Thomas Schulz
Da ist eine gewisse Panik aber doch verständlich.
Schulz: Nein, die Energiekrise wird auf kleine Bereiche reduziert, es wird fehlinformiert. Deutschland hat Energie, es hat Kohle und auch Atomstrom. Es ist dem Ausland nicht zu erklären, warum wir bestehende Infrastruktur in solch einer Krise abstellen wollen. Selbst die grüne Partei in Schweden war stocksauer, weil wir die Atomkraftwerke nicht weiter laufen lassen wollen. Für die ist das unsolidarisch, weil unser Verhalten die Energiepreise in der ganzen EU hochtreibt. Ich würde mir sehr wünschen, dass man zwischen ideologischen Gründen und dem technisch Möglichen unterscheidet. Es ist technisch kein Problem, die drei letzten AKW noch länger laufen zu lassen.
Jetzt sollen zwei AKW zumindest bis ins Frühjahr laufen. Reicht Ihnen das nicht?
Schulz: Als deutscher, technikverliebter Ingenieur war ich immer schon ein Verfechter der Atomenergie. Rein rechnerisch haben wir keine Chance, ohne Atomkraft das Pariser Klimaziel einzuhalten, also die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Wirklich, keine Chance! Aber ich bin vor allem ein Anhänger der Diversifizierung der Energiequellen. Das heißt, wir müssen dringlichst in erneuerbare Energien investieren. Aber wir dürfen die konventionellen Energien erst herunterfahren, wenn etwa Wind- und Solarenergie das wirklich kompensieren können. Wir können uns nicht von Wunschdenken leiten lassen, wie es jetzt geschieht.
Bilfinger ist bei der Atomkraft auch gut im Geschäft.
Schulz: Wir sind in Großbritannien und auch in anderen Ländern im Bereich Atomenergie aktiv. In Deutschland geht es vor allem um den Rückbau. Es ist ein Teilbereich unseres Geschäfts, nicht der größte. Wir machen auch sehr viele Projekte mit grünem Wasserstoff, mit Carbon Capture, also der Abscheidung von Kohlendioxid, oder bauen in München ein Fernkältenetz aus. Wir schauen bei unseren Kunden, wie wir andere, nachhaltigere Technologien einsetzen können. Neue Ideen umsetzen, technische Lösungen finden - das können wir in Deutschland noch immer gut. Nur der Mut dazu fehlt. Es gibt nichts, was technisch nicht möglich ist.
Also sollten die Politiker mehr auf die Ingenieure, die Techniker hören? Zu denen Sie gehören?
Schulz: Klar, ich bin Ingenieur. Ich liebe Technik und kann auch eine Stunde über die Technik in einem Rasenmäher philosophieren. . . „Können wir nicht, dürfen wir nicht“ - das hilft uns doch nicht in dieser Krise. Wir müssen über alle Möglichkeiten sprechen, alle Argumente für und gegen die Atomkraft auf den Tisch bringen.
Also egal, ob konventionelle oder erneuerbare Energien ausgebaut werden - Bilfinger profitiert von der Energiekrise. Eine komfortable Situation, oder?
Schulz: Ja, wir profitieren. Wir können als Bilfinger vielen Unternehmen helfen, effizienter zu arbeiten, und damit auch nachhaltiger. Wir können zum Beispiel schneller als jeder andere in der Branche Isolierungen machen - damit können Kunden sofort Energiekosten sparen. Aber gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, dass wir auch intern unsere Effizienz verbessern. Wir müssen auf alle Krisenszenarien vorbereitet sein. Bilfinger ist schon wetterfest, aber das kann ein richtiger Sturm werden - also noch eine dickere Jacke anziehen!
Was heißt das, was spielen Sie da durch?
Schulz: Das fängt damit an, dass wir uns zum Beispiel auf einen Energie-Blackout vorbereiten. Wie können wir unsere Kunden bedienen, wenn die Versorgung knapp wird? Und es geht bis zu der Frage: Wie reagieren wir darauf, wenn die deutsche Industrie als Folge der Energiekrise nichts mehr investiert?
Das heißt, Sie haben Kostensenkungsprogramme in der Schublade?
Schulz: Die Kosten muss man immer im Blick haben. Aber wir brauchen die richtigen Strukturen, auf die wir zurückgreifen können - egal was passiert. Wenn es weniger Gas gibt, müssen wir unseren Kunden helfen, wie sie mit weniger Energie ausreichend produzieren können. Und wenn die Kunden ganze Werke herunterfahren, ist das sehr aufwendig - dafür müssen wir ausreichend Personal zur Verfügung haben. Das gilt auch für das Wiederanfahren einer Anlage.
Das heißt, bei fast allen Szenarien wird Bilfinger viel Arbeit haben.
Schulz: Unternehmen wie wir sind immer dann gefragt, wenn der Markt für Kunden sehr stark hoch und runter geht. Aber wir sind nicht vollständig krisenresistent. Wenn ein vollständiger Blackout kommt, wenn die Industrie gar nichts mehr investiert, haben auch wir ein Problem. Das sind jedoch Extremszenarien, die sehr unwahrscheinlich sind. Die Unternehmen werden alles tun, um ihre Anlagen für möglichst kurze Zeit herunterzufahren. Oder sie nutzen einen Stopp für eine ausführliche Revision. Dafür sind wir gut positioniert.
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Was passiert bei einer Rezession, ist mit Jobabbau bei Bilfinger zu rechnen?
Schulz: Wenn wir sehr genau auf die Kosten schauen müssen, wäre Personalabbau auch eine mögliche Maßnahme. Das muss dann sehr strukturiert ablaufen. Aber Deutschland hat mit der Kurzarbeit ein hervorragendes Instrument für solche Fälle, das hat sich auch in der Pandemie bewiesen. Mittelfristig brauchen wir noch mehr sehr gut ausgebildete, kreative Mitarbeiter - es geht also eher um mehr Aus- und Weiterbildung.
Sie haben den skandinavischen Führungsstil angesprochen - was heißt das, und haben Sie den mit nach Mannheim gebracht?
Schulz: Mein Führungsstil baut mehr auf Motivation auf. Wir haben ein gemeinsames Ziel und überlegen zusammen, was wir dafür tun können. Ich baue sehr stark auf Eigenverantwortung, ich will auch kritische Mitarbeiter. Stellen Sie sich vor, wir sind auf dem Fußballplatz, und ich als Trainer schreie die Spieler nur an. Das bringt doch nichts. Ich sage lieber: Wir wollen 5:0 gewinnen, wie machen wir das, was sind eure Ideen? Glauben Sie mir, das macht mehr Spaß.
Und wie kommt das an?
Schulz: Es gibt Mitarbeiter, die das gut finden, andere kommen damit schwerer klar. Da muss man Zeit geben, erklären, die Leute mitnehmen - immer wieder kommunizieren.
Das Unternehmen hat sich sehr verändert, hat einige Krisen überstanden, die Belegschaft musste einiges aushalten. Fehlt jetzt eine eigene Identität?
Schulz: Ich war sehr positiv angetan, wie hochmotiviert unsere Leute sind. Was wir besser machen müssen: Das große Fachwissen in unserem Unternehmen ist extern leider kaum bekannt. Das müssen wir besser nach außen kommunizieren. Wir müssen auch mehr mit unseren Innovationen in die Öffentlichkeit gehen.
Sie lassen gerade an einer neuen Strategie für den Konzern arbeiten. Um was geht es?
Schulz: Es ist eine Weiterentwicklung der Strategie, keine Revolution. Es sind weniger als 20 Fachleute aus dem Unternehmen, die genau hineinschauen: Was machen wir wo weltweit? Wo ist unsere Exzellenz, wie können wir diese Bereiche verstärken? Das bedeutet auch, dass wir Bereiche eventuell aufgeben, um unsere Kompetenz und unser Personal auf zukunftsorientierte Geschäftsfelder zu konzentrieren.
Seit Sie Bilfinger-Chef sind, haben zwei Vorstandsmitglieder den Konzern verlassen. Nur Ihr neuer Finanzchef Matti Jäkel bleibt. Gab es Krach? Und reichen zwei Vorstandsmitglieder?
Schulz: Ich werde mich jetzt nicht an Spekulationen beteiligen. Es ist normal, dass Leute ein Unternehmen verlassen. Wir haben uns jetzt so aufgestellt, wir machen das zu zweit. Hinter uns steht ja ein weit größeres Team. Matti Jäkel kennt Bilfinger in- und auswendig, dazu komme ich als Neuer, als Seiteneinsteiger. Das ist eine gute Kombination.
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