Guten Tag !
So nach dieser Woche stehen wir kursmäßig wieder mal auf einem "All-time-low" - ähnlich wie nach dem "Bilanzdesaster" vor ein paar Wochen.
Vor der Ankündigung der Dividendenkürzung stand der Kurs noch bei zwischen 7,50 Euro und 8 Euro- seitdem ist der Kurs um ca. 1/3 zurückgekommen. Alleine in dieser Woche hat die Aktie um ca. 15% nachgegeben.
Passend dazu die Nachrichtenlage. Beginnend mit der Meldung, dass die Dividende gekürzt wird, dann die Meldung, dass der Gewinn deutlich rückläufig ist, die Tatsache, dass Blue Sky den vereinbarten Kaufpreis für die übernommenen Anteile an oolipo und Deadalic nicht bezahlt hat, die Tatsache, dass KPMG das Testat für die letzten beiden Bilanzen nachträglich zurückzieht, die Tatsache, dass man das Ziel, die Anteile an oolipo mehrheitlich an fremde Dritte zu veräußern bis heute nicht geschafft zu haben scheint, die Tatsache, dass der Marktgang von oolipo immer weiter verschoben werden muss (jetzt Ende 2016/Anfang 2017), die Tatsache, dass Daedalic ganz offenbar ein sehr schlechtes Jahr hat und von den im Konzernergebnis einkalkulierten deutlichen Steigerungen bei Umsatz und EBITDA offenbar weit entfernt ist und dann noch der etwas "mysteriöse Verkauf" der Anteile an RÄDER (warum, weshalb, wieso?)...
Alles das trägt ja auch nachvollziehbarerweise nicht wirklich zur guten Laune an der Börse bei.
Es gibt einfach sehr viele Fragezeichen derzeit. So weiß man vor allem bis heute leider nicht ansatzweise, ob Daedalic irgendwann einmal nennenswerte Beiträge zum Konzernergebnis beitragen wird oder ob oolipo irgendwie "erfolgreich" sein und wenigstens einen Teil des investierten Geldes wieder einspielen wird oder ob man es irgendwann schafft, Liquidität durch den schon sehr lange ins Auge gefassten Verkauf der oolipo-Anteile ins Unternehmen zu holen (Warum interessiert sich denn niemand für den Einstieg in die oolipo AG wenn das doch so ein vielversprechendes Konzept sein soll?).
Nix davon ist fix und es besteht durchaus die Gefahr, dass die mit viel Geld (aus dem Börsengang) angestrebte Digitalstrategie (@scooby78- auch mir fällt das Wort nicht leicht:-) mindestens in Teilen scheitert (womit dann das Geld, das man aus der Ausgabe der Aktien erzielt hat, weg wäre).
Ich vermute mal, dass auch diese vielen negativen Nachrichten, verbunden mit den ganzen Unsicherheiten und schlicht und ergreifend verfehlten Prognosen (da ist mir das Unternehmen eh viel zu optimistisch!) die DZ Bank dazu bewegt hat, die Aktie auf "Verkaufen" zu stellen und den fairen Wert bei 5,30 Euro zu sehen (insbesondere weil die DZ Bank mMn nicht ohne Grund vermutet, dass nun auch die Ergebnisprognose für das laufende Jahr kassiert werden muss, eben weil Daedalic bei weitem nicht so läuft wie erhofft- und weil niemand weiß, ob das nun bei Daedalic eine Delle oder vielleicht doch ein Grundsatzproblem ist).
Die Frage ist nun, ob der derzeitige Kurs tatsächlich fair ist oder ob er zu hoch oder zu niedrig ist- anders gefragt: Lohnt sich denn nun bei einem Kurs von 5,15 Euro ein Einstieg oder lohnt er sich immer noch nicht.
Viele hier haben die Frage ja schon negativ beantwortet. Ich habe bei Bekanntwerden der Tatsache, dass Daedalic schlecht läuft und dass die DZ die Aktie abstuft, einen nicht unwesentlichen Teil meiner Aktien der BL veräußert, vorgestern zu Preisen unter 5,20 Euro aber auch wieder zurückgekauft.
Auch ich sehe die vielen Fragezeichen- für mich ist das Risiko aber begrenzt.
Gehen wir mal davon aus, dass Daedalic und oolipo nicht funktionieren (das dürfte ja das worst-case-scenario für die allermeisten sein, für mich wäre das fast schon eine Erlösung;) ).
Dann würde BL letztendlich versuchen müssen, die Daedalicanteile zu veräußern (was sicher zu Verlusten führen würde) und oolipo einzustellen (was ebenfalls Verluste ergeben würde). Ich bin aber der Überzeugung, dass das Unternehmen diese Verluste überstehen würde, weil diese Verluste ja keine Auswirkung auf die vielleicht derzeit etwas angespannte Liquiditätslage hätte und weil das Unternehmen neben diesen beiden schwächelnden Bereichen ja auch noch durchaus gesunde Kernsegmente unterhält.
Problematisch könnte dann die zunächst höhere Verschuldung sein aber die könnte ja vielleicht teilweise durch einen Anteilsverkauf von Daedalic und/oder oolipo geschmälert werden und zudem kann BL in einem guten "Buchjahr" durchaus auch ansehnliche Cashflows generieren, mit denen man die Verschuldung wieder reduzieren könnte (und ein gutes Buchjahr sollte ja im kommenden Jahr vor der Tür stehen).
Alternativ wäre es aber natürlich auch möglich, dass Daedalic wieder in die Erfolgsspur zurückfindet und (kleine) Ergebnisbeiträge liefert und dass bei oolipo erstens die Anteilsmehrheit an fremde dritte Investoren verkauft werden kann (was dann erstens dazu führt, dass BL Liquidität gewinnt und zweitens BL nicht mehr alleine das Risiko tragen müsste, wenn doch noch was schief geht bei oolipo) und dass oolipo zweitens einigermaßen gut vom Markt aufgenommen wird und ebenfalls Ergebnisbeiträge liefert. Aber ich will mich hier sehr bewusst auch mal mit dem Szenario beschäftigen, in dem das nicht funktioniert und Daedalic und oolipo unter Verlusten abgestoßen/eingestellt werden müssten.
Dann wäre BL anschließend ein möglicherweise in den Augen vieler Marktteilnehmer langweilig erscheinender Verlag (natürlich einschließlich Ebooks etc.). Von den Zukäufen würden noch bookrix, Buchtpartner und Lyx bleiben- soweit ich das überblicke, werfen alle drei Zukäufe auch Gewinne ab.
Verbleiben würde selbstverständlich auch das eigentliche Kerngeschäft- der Buchverlag. Wie ich ja schon mehrfach geschrieben habe, hängt dieses Kerngeschäft natürlich extrem davon ab, ob es BL gelingt, Bücher zu veröffentlichen, die hinreichend oft gekauft werden. BL hat mit Follett, Brown und Kinney drei Autoren unter Vertrag, deren Bücher bisher sozusagen automatisch zu Bestsellern werden. Dazu kommen mit Gable, Fitzek u.a. Autoren, deren Bücher wenigstens einigermaßen sicher gut abverkauft werden können. Und zuletzt ist es BL ja auch gelungen, Timur Vermes zu einem Starautor und dessen Buch "Er ist wieder da" zu einem absoluten Renner zu machen.
Letztendlich hat BL mMn demnach hinreichend bewiesen, dass sie vom eigentlichen Kerngeschäft einiges verstehen- man muss sich ja nur mal die Ergebnisse der Jahre vor dem Börsengang oder die Jahre nach Börsengang mit Bestsellern der o.g. Autoren anschauen, um zu erkennen, dass im Buchbereich durchaus beachtliche und ansehnliche Gewinne gemacht werden konnten. Bedauerlicherweise hat die im wesentlichen von dem verstorbenen Herrn Stefan Lübbe und Herrn Schierack betriebene Digitalisierungsstrategie , mit der sie BL für die Börse attraktiv machen wollten, mMn etwas zu viel Konzentration vom Kerngeschäft abgezogen, so dass die letzten Jahre auch im Kernbereich "Buch" nicht mehr sonderlich erfolgreich waren.
Sollten Daedalic und oolipo aber total floppen, wird man sich ja schon notgedrungen auf das Kerngeschäft konzentrieren müssen. Es mag ja sein, dass der reine Buchmarkt schrumpft (wenn auch bei weitem nicht so stark, wie diejenigen behaupten, die glauben, niemand liest mehr) aber auch in einem schrumpfenden Markt kann man erfolgreich sein. Und ich behaupte mal, dass BL die Grundlagen für den Erfolg durchaus besitzt, weil man einige Erfolgsautoren unter Vertrag hat.
Dadurch dass im nächsten Geschäftsjahr Follett und Brown erscheinen, dürfte man, sollten die Bücher in etwa so erfolgreich sein, wie man erwarten kann (wobei ich persönlich mir grade vom neuen Follettbuch einiges erwarte, weil das ja eine Fortsetzung -die zweite- von "Säulen der Erde" werden soll), wird man im Buchbereich sicher ein sehr erfolgreiches Jahr haben, was- und dass ist in der derzeitigen Lage des Buchmarktes von enormer Wichtigkeit- zur Folge hat, dass man auch ordentlich Liquidität in die Kassen gespült bekommt, denn grade wenn ein Markt konsolidiert, muss man auch die Mittel haben, um die daraus resultierenden Chancen (kleinere Verlage habe es wegen mangelnder Mittel auf einem kriselnden Markt von Natur aus schwerer und könnten "geschluckt" werden) nutzen zu können. Im Buchmarkt ist es nunmal so, dass man erst einiges an Liquidität benötigt, um die Autorenrechte und dann die Produktion und das Marketing zu bezahlen, bevor dann, sozusagen ganz am Ende, die Bücher verkauft werden können und das Geld wieder zurückfließt- üblicherweise dann natürlich mehr als vorher investiert worden ist- aber dadurch erklärt sich auch ein Teil der Liquiditätsschwankungen in einem Verlag.
Ich sehe da BL da jedenfalls gut aufgestellt, um von einer Marktkonsolidierung zu profitieren. Zudem ist ein (größerer) Verlag, der zeigt, dass er Bestseller produzieren kann, für Autoren, die für ein größeres Publikum schreiben, automatisch interessanter als ein (kleinerer) Nischenverlag.
Hinzu kommt, dass man auch innerhalb eines Verlags durchaus noch einiges verbessern kann (Marketing, Abverkauf von Restauflagen- hier hat BL mit der Mehrheitsbeteiligung an Buchpartner ja ganz neue Möglichkeiten gewonnen- , Reduzierung der Novitäten, Beschränkung einiger Neuerscheinungen auf den elektronischen Bereich (auch hier hat BL ja mit dem Imprint "be" schon den Weg beschritten) etc.).
Wie gesagt, das alles würde ja selbst unter der Annahme funktionieren, dass Daedalic und oolipo vollkommen scheitern. Das wäre kurzzeitig tatsächlich schmerzhaft, würde aber das Kernunternehmen nicht wirklich gefährden.
Meiner Meinung nach hat BL genügend Substanz und Perspektive, um auch für diesen Fall einen Kurs von 5,20 Euro heute, plus x, wenn der Verlag sich eben im o.g. Sinne weiterentwickelt, zu rechtfertigen.
Auch die DZ Bank, die sicher was die Erträge aus Daedalic und oolipo angeht extrem skeptisch ist- auch in den Folgejahren hat die Bank ja die Umsätze und EBITDA entsprechend gekürzt- sieht letztendlich bei einem Kurs von 5,xx Euro ab dem nächsten Jahr KGVs unter 10 (für 2017/2018 schätzt die Bank - mMn etwas zu vorsichtig, weil ja fest steht, dass die Neuerscheinungen von Follett und Brown dann erscheinen - 53 Cent Gewinn und für das folgende Jahr 67 Cent- dies würde jeweils zu KGVs unter 10 führen.
Lange Rede (sorry dafür) kurzer Sinn: Ja, ich finde es angesichts der Negativmeldungen und dem dadurch eingetretenen Vertrauensverlust an der Börse sowie angesichts der Tatsache, dass die Voraussagen hinsichtlich Daedalic und oolipo nicht eingehalten werden konnten und vor allem angesichts der vielen Fragezeichen, die hinter vielen Annahmen, was den Geschäftsverlauf angeht, stehen, durchaus gerechtfertigt, dass die Aktie derzeit nicht mehr bei 7,50 Euro (Ausgabekurs) und erst recht nicht noch höher steht.
Aber ich bin der Auffassung, dass selbst wenn Daedalic und oolipo floppen, der derzeitige Kurs für den reinen Verlag plus verbleibenden Zukäufen eine einigermaßen realistische Basis ist und sich dieser Kurs analog zum dann noch verbleibenden Geschäft durchaus entwickeln kann.
Insofern sehe ich bei BL derzeit und auf der Basis des derzeitigen Kurse durchaus mehr Chancen als Risiken. Nicht ausschließen kann man allerdings, dass ein negativer Newsflow die Aktie weiter beuteln könnte- das Risiko sollte man in keinem Fall unterschätzen- so könnte es sein, dass morgen, bei der Vorlage des Halbjahresberichts, die Prognose für das laufende Jahr zurückgenommen werden muss- das sollte zwar eigentlich schon im Preis drin sein, denn gerade deshalb ist die Aktie ja in der letzten Woche abgestürzt- aber trotzdem könnte das nochmal einen Negativschub geben. Zudem muss man berücksichtigen, dass die Börse wohl momentan extrem empfindlich auf Negativmeldungen bei BL reagiert.
Natürlich sind das nur meine persönlichen Überlegungen und keine Empfehlung für andere Marktteilnehmer.
Einen schönen Restsonntag noch.