kid7, ich habe dieses Geschäft lange beruflich gemacht, bei einer größeren Gesellschaft in Deutschland. Bei mir steht jetzt eine 6 vorne und Trading mache ich mehr zum Spaß. Mein eingesetztes Risikokapital beträgt vielleicht 1 Prozent meines Vermögens, Immobilien und Gold, Lebensversicherungen mitgerechnet. Daran kannst Du schon mal sehen, dass ich eine große Hochachtung vor dem Trading habe; es wird nur mit Geld gearbeitet ,das man nicht braucht. Die Fehlentscheidung gehört zum Beruf dazu. Ich habe immer gesagt: wenn 51% der Entscheidungen richtig sind, gehört man zu den Spitzenmanagern der Branche. Und das obwohl man natürlich besser mit Informationen versorgt wird als Privatanleger, obwohl man den direkten Draht zu den Vorständen der Gesellschaften hat. Wie schwer es ist dauerhaft richtig zu liegen bzw. besser zu liegen als z.B. ein Index, sieht man daran, dass die Mehrheit der Fondsmanager den Index nicht schlagen können. Da spielen auch Gebühren eine Rolle, aber letztendlich ist es traurig. Wenn man jung ist, glaubt man nach einem Meeting mit einem Vorstand mit einer großen Sicherheit, dass man nun die sichere Anlage gefunden hat und investiert. Überrascht stellt man fest, dass es nicht funktioniert, weil man auf einen Blender hereingefallen ist, weil es eine Finanzkrise gibt, weil es beim größten Vermögensverwalter der Welt einen Managerwechsel gegeben hat und der neue erst mal alles verkauft was er nicht kennt, weil der Vorstandsvorsitzende tot umgefallen ist e.t.c. Es gibt Hunderte von Unwägbarkeiten.
Als Fondsmanager braucht man eine gewisse Demut um erfolgreich zu sein. Es gibt immer wieder neue Erfahrungen, aus denen man lernen kann. Ich halte mich ja hier in einem Segment auf, das mir während meiner beruflichen Karriere fremd war. Nicht funktionierende Technik, Emittent stellt keine Kurse, Bank mal einen Tag nicht erreichbar - das sind Dinge, die passieren genau im falschen Augenblick. Also auch hier lerne ich weiter. Und ich verbessere mich. Was ich in meiner Karriere gelernt habe, ist, dass der Kapitalerhalt erste Priorität hat. Ich hatte das Glück 1987 als Erfahrung mitnehmen zu können, vorher als Student schon Tschernobyl. Da hatte ich einen Call auf einen Versorger mit Totalverlust ausgebucht. Das hat mir in der Finanzkrise enorm geholfen und auch diesmal. Wenn ich mir meine Statistik anschaue - ich schreibe jeden Trade auf - halte ich Verlusttrades niedrig. Die liegen bei mir bei 15%; 15% habe ich mit Nullergebnis geschlossen. Das war früher noch anders. Da wollte ich nicht mit Null schließen. Dann wurden es 30% negative Trades.
Wer meine Beiträge verfolgt, weiss, dass ich eigentlich schon seit 2018 eher auf der Shortseite stehe; dementsprechend sind auch die meisten Trades auf der Shortseite, aber man muss manchmal pragmatisch sein und den Markt akzeptieren. Ich halte die großen Techs für hoffnungslos überbewertet, aber es gibt eben Kräfte, die diese Werte stützen. Apple wird heute so verkauft als hätte die Gesellschaft die Erwartungen deutlich übertroffen. Das stimmt wenn man den gestrigen Konsensus nimmt, aber vergleicht man die Zahlen mit d, en Erwartungen von vor 3 Monaten dann liegt der Umsatz 5 Milliarden unter den Erwartungen. Aber warum notiert die Aktie jetzt nicht tiefer? Netflix - Zahlen lagen unter den Erwartungen, aber da schaut man aufs Kundenwachstum. Und bei Tesla feiert man einen Gewinn, den ein mittelständischer Handwerker in Köln erzielt, als Riesenerfolg.
Meine Hauptanlagen sind Einzelwerte. Ich streue dabei kaum. Vor Jahren habe ich mit überflüssigem Geld (ein Bonus) vor der Entscheidung gestanden alles auf eine Karte zu setzen oder Fondsanteile zu kaufen. Ich habe auf den Einzelwert gesetzt und gewonnen; es war eher eine unternehmerische Entscheidung. Das hat ein paar Mal geklappt, aber mein größtes Investment hat Konkurs angemeldet.
Für mich aber kein Grund in Panik zu geraten. Ich habe immer gut geschlafen; es gab auch Schieflagen in der Firma. Da hat man mal eine halbe Stunde nach einem Investment 10 Mio. verloren; geschlafen habe ich trotzdem gut. Oder dummerweise bei einer Order eine Null zuviel dran gehabt. Statt 5 Mio. hat man für 50 Mio. gekauft.
Was ich nur raten kann: Wenn das Traden auf die Gesundheit schlägt, wenn Depressionsgefahr besteht, dann ist Traden nicht das Richtige. Dann sich vielleicht lieber Zeit lassen und Investments in Ruhe über einen langen Zeitraum analysieren, am besten Aktien aus einer Branche, die man selber kennt. Und ich sage: man kauft besser keine Aktien wo der Chart von links unten nach rechts oben gelaufen ist. Da verpasst man zwar eine Amazon, aber das Risiko der Fehlinvestition sinkt auch. Und es gibt eben nur eine Amazon, wo das auch rechts oben noch funktioniert. Und man muss auch bereit sein mal längere Zeit auf der Seitenlinie zu stehen . Geduld zahlt sich aus.
Also: Alles Gute und jetzt mal eine Pause machen, vielleicht auch noch die bestehenden Positionen schließen ( und anschließend nicht mehr hinterherschauen).