ROUNDUP: ThyssenKrupp zahlt Bahn Schadenersatz wegen Schienenkartell

Mittwoch, 20.11.2013 11:53 von

ESSEN (dpa-AFX) - Der finanziell angeschlagene Industriekonzern ThyssenKrupp schafft eine bedrohliche Altlast aus der Welt. Mit der Deutschen Bahn verständigte sich das Unternehmen auf einen millionenschweren Schadenersatz wegen verbotener Preisabsprachen bei der Lieferung von Schienen. Die Bahn und ThyssenKrupp bestätigten am Mittwoch die grundsätzliche Einigung. Zur Höhe der Zahlung wollten sich die Unternehmen nicht äußern. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuvor über eine Summe in Höhe von 150 Millionen Euro berichtet. Die Bahn hatte vor rund einem Jahr Klage gegen ThyssenKrupp und andere am sogenannten Schienenkartell beteiligte Unternehmen erhoben.

ThyssenKrupp hatte bereits im Frühjahr für einen möglichen Vergleich rund 200 Millionen Euro zur Seite gelegt. Nun kündigte der Ruhrkonzern an, dass wegen der Einigung keine neuen finanziellen Belastungen auf ihn zukämen. Bahn-Vorstand Gerd Becht erklärte, mit dem Vergleich sei auch für den Steuerzahler ein sehr gutes Ergebnis erzielt worden: "Niemand kann ein Interesse an jahrelangen und teuren Gerichtsprozessen haben."

Von den beteiligten Unternehmen am Schienenkartell hatte die Bahn zuvor 850 Millionen Euro plus Zinsen gefordert, davon allein 550 Millionen von ThyssenKrupp. Die Einigung muss nun noch von den zuständigen Gremien bestätigt werden. Unter anderem haben Bund und Länder als Geldgeber für das Schienennetz ein Mitspracherecht, an sie fließt ein großer Teil des Schadenersatzes zurück.

Zusätzlich hatte das Bundeskartellamt 232 Millionen Euro Bußgeld für das Schienenkartell verhängt. Das ist eine der höchsten Forderungen der Bonner Wettbewerbshüter überhaupt. Auf den Wiederholungstäter ThyssenKrupp, der zuvor bereits in Kartelle bei Rolltreppen und Edelstahl verwickelt war, entfielen davon 192 Millionen Euro.

Die beteiligten Hersteller haben sich nach Erkenntnissen der Ermittler mindestens ein Jahrzehnt lang abgesprochen und zu hohe Preise für Schienen berechnet. Schadenersatz hat bereits der österreichische Konzern Voestalpine gezahlt, der das Kartell auffliegen ließ. Das Unternehmen wurde zum Kronzeugen der Ermittler und überwies in der ersten Jahreshälfte einen hohen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag.

Auf ThyssenKrupp und Voestalpine sowie den Konkurrenten ArcelorMittal könnte derweil noch weiteres Ungemach zukommen: Das Bundeskartellamt ermittelt weiterhin wegen des Verdachts von Preisabsprachen auch bei Autoblechen. Seit einer Durchsuchung ihrer Geschäftsräume im Februar haben die Unternehmen allerdings nach eigenen Angaben nichts mehr von der Behörde gehört. Auch die eingeleiteten internen Ermittlungen förderten keine Hinweise zu Tage. Ein Sprecher des Amtes wollte sich zum Stand des Verfahrens am Mittwoch nicht äußern.

Die Sprengkraft dieses Falls könnte die bisherigen Kartellfälle von ThyssenKrupp deutlich übertreffen. Die Autoindustrie ist der wichtigste Kunde für den Stahlhersteller. ThyssenKrupp schließt bislang "signifikante Risiken für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage" wegen dieses Falls nicht aus. Der seit rund drei Jahren amtierende Vorstandschef Heinrich Hiesinger hat den Kampf gegen unlautere Geschäftspraktiken zu einem Schwerpunkt gemacht. Um ein Zeichen für einen Neuanfang zu setzen, mussten vor einem Jahr gleich drei Vorstände auf einmal ihren Hut nehmen./enl/mmb/fbr

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