ROUNDUP: Chinas Staat mischt bei Investitionen mit - Gabriel trifft Aktivisten

Mittwoch, 02.11.2016 14:14 von

PEKING/CHENGDU (dpa-AFX) - Der chinesische Staat mischt bei Investitionen in Deutschland kräftig mit. Auch wächst die Zahl der Übernahmen in technologieintensiven Branchen, wie am Mittwoch aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht, die während des Besuchs von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in China veröffentlicht wurde. Zum Abschluss seiner teils kontroversen Gespräche in Peking traf der Vizekanzler mit einer Gruppe von Bürgerrechtsanwälten, Menschenrechtlern und Intellektuellen zusammen. Anschließend flog Gabriel nach Chengdu, um an einer Messe teilzunehmen.

Vor dem Hintergrund von Sorgen vor einem Ausverkauf deutscher Schlüsseltechnologien stellt die Studie einen wachsenden Anteil von staatlichen Akteuren bei chinesischen Investitionen in Deutschland fest. Hatten zwischen 2003 und 2013 nur zehn Staatsunternehmen oder ihre Töchter in Deutschland investiert, waren es allein zwischen 2014 und 2016 schon ebenso viele. 51 von 99 Übernahmen passten in die industriepolitische Strategie "Made in China 2025", mit der Knowhow für den Aufstieg in den Wertschöpfungsketten aufgekauft werden soll.

Ohnehin seien die Eigentumsstrukturen chinesischer Unternehmen undurchsichtig, befinden die Autoren die Studie. Es gebe auch "eine Vielzahl informeller Verflechtungen zwischen Staat und Wirtschaft in China". Auch Privatakteure könnten nicht vorbehaltlos als Wirtschaftsakteure gelten, die ausschließlich ökonomische Motive verfolgen. Nach einer Prognose könnten chinesische Unternehmen im Jahr 2025 bereits 4,3 Milliarden US-Dollar in Deutschland investieren.

Ein zentrales Problem sei aber die "fehlende Reziprozität". "Deutschland bietet chinesischen Investoren freien Marktzugang und hat keinen generellen Schutzmechanismus für Schlüsseltechnologien", heißt es in der Studie. "Die chinesische Regierung hingegen schützt strategische Industrien bewusst vor ausländischem Zugriff." Abhilfe könnte das bilaterale Investitionsschutzabkommen leisten, das die EU und China verhandeln. Es wäre sinnvoll, eine Erweiterung der Instrumente zur Kontrolle der Investitionen zu überprüfen.

Die Debatte über Chinas Investitionen hatte für spürbare Verstimmung bei dem Besuch von Gabriel geführt, der in Peking wiederholt "faire Investitionsbedingungen für unsere deutschen Unternehmen" angemahnt hatte. So auch bei seinem letzten Gespräch mit dem Minister für Industrie und Informationstechnologie (MIIT), Miao Wei, der Sorgen deutscher Autobauer über Protektionismus bei der Entwicklung von Elektroautos in China zu zerstreuen suchte.

Er versicherte laut Gabriel, dass deutsche Hersteller, die in China produzierten, genauso wie chinesische behandelt würden. Der Minister sei auch Bedenken begegnet, dass zwangsweise lokale Firmen als Zulieferer eingesetzt werden könnten. Das sei nicht vorgesehen.

Die Differenzen zwischen China und Deutschland über die Investitionsbedingungen wie auch über die Behandlung von Menschenrechtlern überschatteten die Reise der Vizekanzlers. Nach seinem Treffen mit den Bürgerrechtlern sicherte Gabriel in Chengdu zu, dass sich die Bundesregierung für die Freilassung inhaftierter Bürgerrechtsanwälte in China einsetzen werde.

In einer Verhaftungswelle sind seit Juli 2015 rund 250 Anwälte, Kanzleimitarbeiter und Aktivisten festgenommen, unter Hausarrest oder verhört worden. Rund ein Dutzend von ihnen sind laut Aktivisten noch in Haft. Einige wurden zu Haftstrafen verurteilt.

Eineinhalb Stunden sprach Gabriel mit neun Anwälten, Dissidenten und Intellektuellen über Bürgerrechte und mangelnde Rechtssicherheit, die auch von Unternehmen häufig bemängelt wird. "Der Vizekanzler stimmte zu, dass es heute schwieriger ist, mit der chinesischen Seite über Menschenrechte zu sprechen", sagte der Anwalt Jiang Tianyong der Deutschen Presse-Agentur. "Heute mit Xi Jinping ist es fast unmöglich geworden, sich darüber auszutauschen."

In der Metropole Chengdu nimmt Gabriel an der Westmesse teil, wo Deutschland diesmal Partnerland ist. Zum Abschluss seiner bis Samstag dauernden Reise wird der Wirtschaftsminister in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong erwartet. Dort will er an der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft (APK) teilnehmen./lw/seb/DP/stb

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