ROUNDUP 2: Ukrainischer Präsident verlangt mehr Hilfe von Deutschland

Donnerstag, 17.03.2022 10:42 von

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BERLIN (dpa-AFX) - Drei Wochen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem emotionalen Appell mehr Hilfe von Deutschland gefordert. Wieder gehe eine Mauer durch Europa, sagte Selenskyj am Donnerstag laut Übersetzung in einer Videoansprache an den Bundestag. Er richtete sich direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): "Lieber Herr Bundeskanzler Scholz, zerstören Sie die diese Mauer. Geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die Deutschland verdient."

Bei der Metapher der Mauer bezog sich Selenskyj auf den früheren US-Präsidenten Ronald Reagan. Dieser hatte 1987 in West-Berlin an die Sowjetunion appelliert, die Berliner Mauer niederzureißen.

Selenskyj betonte, in seinem Land seien nun Zivilisten und Soldaten wahllos Ziel russischer Angriffe. Laut Übersetzung sagte er: "Russland bombardiert unsere Städte und zerstört alles, was in der Ukraine da ist. Das sind Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Kirchen, alles. Mit Raketen, mit Luftbomben, mit Artillerie. In drei Wochen sind sehr viele Ukrainer gestorben, Tausende. Die Besatzer haben 108 Kinder getötet, mitten in Europa, bei uns im Jahre 2022."

Der Präsident erinnerte an den deutschen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion vor 80 Jahren und fügte hinzu: "Wieder versucht man in Europa, das ganze Volk zu vernichten." Er dankte allen Deutschen, die sich für die Ukraine einsetzten, auch Unternehmen, die Moral über Gewinn setzten. Zugleich beklagte er, dass er lange vergeblich um Hilfe gebeten und sein Ansinnen eines Nato-Beitritts keinen Erfolg gehabt habe. "Und auch jetzt zögern Sie noch beim Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union." Auch das sei ein "Stein für die neue Mauer".

Die Bundestagsabgeordneten waren vor der Rede aufgestanden und begrüßten den auf einer Videoleinwand zugeschalteten Selenskyj mit Applaus. Die Parlamentssitzung hatte mit leichter Verspätung begonnen. Es habe technische Probleme gegeben, weil es in Kiew "einen Anschlag in unmittelbarer Nähe" gab, sagte Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt.

Göring-Eckardt drückte Entsetzen über den von Russland begonnenen Krieg aus sicherte Kiew die Solidarität Deutschlands zu. "Wir sehen euch, wir sind in Gedanken bei euch und bei denen, die um euch trauern", sagte die Grünen-Politikerin mit Blick auf die Kriegstoten.

Nach Selenskyjs Rede stritten Abgeordnete, ob es eine Aussprache darüber geben sollte. Die Koalition von SPD, Grünen und FDP lehnte einen entsprechenden Antrag der Union nach kontroverser Debatte ab. Zustimmung kam von den anderen Oppositionsparteien Linke und AfD.

Göring-Eckardt war nach der Rede Selenskyjs ohne Pause zur Tagesordnung übergangen und hatte zunächst zwei Abgeordneten zum Geburtstag gratuliert - begleitet von Zwischenrufen aus der Unionsfraktion wie "unwürdig"./cn/DP/zb

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