Prowestliche Parteien sind Bulgariens große Wahlverlierer

Montag, 27.03.2017 13:55 von

SOFIA (dpa-AFX) - Lange ist es her und fast vergessen: Nach der politischen Wende 1989 war der Verband der demokratischen Kräfte (SDS) in Bulgarien diejenige Kraft, die sich für ein Mehrparteiensystem und die freie Marktwirtschaft einsetzte. Die SDS-Regierung leitete um die Jahrtausendwende Reformen in Richtung EU-Beitritt ein. Doch nun, zwanzig Jahre später, kann die inzwischen in Splitterparteien zerfallene, legendäre SDS-Bewegung bei der Parlamentswahl nicht einmal die Vier-Prozent-Hürde überwinden.

Zumindest zwei dieser Parteien wären natürliche Koalitionspartner für den bürgerlichen Wahlsieger Boiko Borissow (GERB) gewesen. Eine Regierungskoalition der GERB mit den nationalistischen Vereinigten Patrioten dagegen würde zu Instabilität führen, warnen Politologen.

Der Zerfall des pro-westlichen Dachverbands SDS hatte 2001 begonnen. Wegen persönlicher Anfeindungen entstanden zahlreiche Splitterparteien: Verband freier Demokraten, die Radikalen, Demokraten für starkes Bulgarien (DSB), Bürgerliche Alternative, eine neue SDS und schließlich eine Blaue Koalition. Ihre Wähler, die vor allem in den Stadtzentren von Sofia und anderen größeren Städten leben und oft aus historischen Gründen antikommunistisch gesinnt sind, wussten mit den Jahren nicht mehr, wer die "blauen" Splitter genau sind.

Verrwirrung herrschte auch jetzt über die drei kleinen pro-westlichen Parteien, die unter der Vier-Prozent-Marke blieben. Zusammen hätten sie mehr als acht Prozent der Stimmen erhalten und damit den Einzug ins Parlament locker geschafft. Die persönlichen Feindschaften und Interessen der Parteichefs empörten außerdem nicht wenige "blaue" Wähler - diese zogen nun nach eigenen Aussagen die bürgerliche GERB vor.

Für den 2013 gegründeten Reformblock um Ex-EU-Kommissarin Meglena Kunewa war das unzureichende Abschneiden von 3,06 Prozent allerdings zu erwarten. In Borissows alten Mitte-Rechts-Regierung hatten Minister aus dem Reformblock problematische oder schwierige Ressorts inne: Justiz, Gesundheit, Bildung, Wirtschaft. Die angestrebten Reformen blieben wegen Widerstands im oder außerhalb des Parlaments ganz aus oder wurden wegen des Regierungsrücktritts mitten in der Amtszeit nicht vollzogen.

Andererseits machten Nationalisten und teils auch die Sozialisten (Ex-KP) Stimmung gegen die EU - und damit auch gegen pro-westliche und liberale Parteien und Nichtregierungsorganisationen. Die EU behandle Bulgarien wie ein "Mitglied zweiter Klasse", hieß es im Wahlkampf.

Auch die neue, liberale Bewegung Ja, Bulgarien von Ex-Justizminister Hristo Iwanow blieb mit 2,88 Prozent außerhalb des Parlaments, obwohl sie in Sofia mit gut zehn Prozent drittstärkste Partei wurde. Die Nowa republika (Neue Republik) des früheren Mitvorsitzenden des Reformblocks, Radan Kanew, schnitt mit 2,48 katastrophal ab - noch schlechter als die gescheiterte neue Türkenpartei DOST (2,85 Prozent). Der Jurist Kanew zog die Konsequenz und trat am Tag nach der Wahl vom Parteivorsitz zurück./el/DP/fbr

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