Mind the Gap
Dienstag, 14.10.2014 15:45 von DGAP
(DGAP-Media / 14.10.2014 / 15:43)
"Mind the gap" - dieser Hinweis soll in der Londoner U-Bahn verhindern,
dass sich Fahrgäste in dem Spalt zwischen der Tür und der Bahnsteigkante
verletzen. Giordano Lombardo benutzt in seinem jüngsten "CIO Letter" diese
Analogie, um vor der zunehmenden Diskrepanz zwischen der Entwicklung der
Märkte und der Realwirtschaft zu warnen. "Nichts scheint unmöglich in der
fantastischen Welt des Gelddruckens und des Quantitative Easing" - schreibt
Lombardo - "aber am Ende werden die auseinanderstrebenden Muster wieder
zusammengeführt werden müssen".
Das Risiko einer Blasenbildung sieht er vor allem in den meisten
Rentenmärkten und in einigen Aktienmärkten; namentlich der amerikanische
Markt zeige überdehnte Bewertungen. "Das Problem mit den Blasen ist nur,
dass es sehr schwierig ist, vorauszusehen, wann genau sie platzen", so
Lombardo. Immerhin sei der Begriff von der "irrational exuberance" schon im
Jahr 1996 geprägt worden, aber die Märkte seien noch gut drei Jahre weiter
gestiegen.
Obwohl die Weltwirtschaft seit der Finanzkrise viel an Boden gut gemacht
habe, sieht Lombardo - vor allem in der Eurozone - immer noch strukturelle
Probleme. So sei der Schuldenberg seit 2007 nicht etwa kleiner geworden,
sondern sogar noch gewachsen. Er habe sich nur verschoben: vom Privatsektor
zum öffentlichen, von den Finanzunternehmen zu den anderen. Im Verbund mit
den Anstrengungen der drei "keynesianischen" Zentralbanken Fed, BoE und BoJ
sei damit zwar die Inflation angekurbelt worden - aber eben eine Inflation
der Vermögenspreise, mit all den negativen Konsequenzen wie zunehmender
Ungleichverteilung von Einkommen und Reichtum und reduzierter Kaufkraft
der Mittelschicht.
Der daraus resultierende Mangel an Nachfrage sei vor allem ein Problem der
Eurozone, weshalb EZB-Präsident Mario Draghi auch zu einem Mix aus drei
verschiedenen Politiksträngen aufgerufen habe: lockere Geldpolitik,
fiskalische Impulse durch langfristige Infrastrukturinvestitionen und
angebotsorientierte Reformen auf Länderebene. Lombardo ist jedoch
skeptisch: Die Geldpolitik habe ihre Instrumente weitestgehend
ausgeschöpft, Konjunkturprogramme seien umstritten und für Reformen fehle
der politische Wille.
Für Anleger in Europa müsse das zunächst gar nicht so schlimm sein, tröstet
Lombardo. "Wir dürfen nicht vergessen, dass Zinsen von einem Prozent bei
null Prozent Inflation eine positive Realverzinsung bedeuten. Wenn das
Deflationsszenario immer wahrscheinlicher wird, ist das kein schlechter
Deal." Aber, so gibt er zu bedenken, in einem Szenario des Nullwachstums
sei die Gefahr groß, dass sich die Risikoaufschläge der Länder, die sich
nicht reformiert haben, am Ende als zu niedrig erwiesen.
Auf der Aktienseite könnten zunächst eine weitere Abwertung des Euro und
der nach wie vor bestehende Nachholbedarf auf die Bewertung der US-Aktien
hilfreich sein. "Aber auch hier ist das Risiko natürlich, dass die
momentane Differenz zu einer strukturellen wird, wenn sich die
Rahmenbedingungen in Europa nicht verbessern." Lombardo bleibt trotzdem
"long" in europäischen Aktien bleibt, denn: "Alle denkbaren Überraschungen
- ein starkes Konjunkturprogramm oder starke Reformen - wirken positiv, das
Deflationsszenario ist weitgehend eingepreist."
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