Weidmann noch nicht ganz aus dem Rennen

Sonntag, 10.02.2019 10:15 von

Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass der italienische Finanzminister nichts gegen Bundesbank-Chef Jens Weidmann an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) hätte. Schon mehrfach hatte sich Giovanni Tria gegen die Kapriolen der populistischen Regierung in Rom positioniert, wenn diese mal wieder gegen jeglichen ökonomischen Sachverstand agiert hatte. Trias Aussage, er sei gegenüber Weidmann unvoreingenommen, passt dennoch nicht zu seiner Kritik der Vergangenheit. Jedoch bedeutet es zugleich, dass Weidmann doch noch nicht ganz aus dem Rennen für die Nachfolge von EZB-Chef Mario Draghi ist.

Noch keine offizielle Kandidatur

Offiziell hat immer noch kein europäischer Notenbanker seinen Hut in den Ring für den Chefposten, der Ende Oktober neu zu besetzen ist, geworfen. Zuvor nimmt im Mai der belgische Chefökonom Peter Praet seinen Hut bei der EZB, den wohl der Ire Philip Lane beerben wird. Im Dezember steht die Nachfolge des französischen Direktoriumsmitglieds Benoît Couré an.

Theoretisch ist noch alles möglich

Nachdem den EZB-Chefposten bisher ein Holländer, ein Franzose und ein Italiener innehatten, wäre eigentlich nun ein Deutscher am Zuge. Bekanntlich liebäugelt die Bundesregierung aber damit, den Posten des EU-Kommissionspräsidenten zu besetzen, wofür Manfred Weber (CSU) ins Rennen geschickt werden soll. Diese Verlagerung des politischen Schwerpunkts hat natürlich Weidmanns Chancen für die Draghi-Nachfolge deutlich reduziert. Dennoch, solange kein Notenbanker seine Kandidatur offiziell verkündet hat, ist theoretisch noch alles möglich.

Auch Weidmann müsste mit den Realitäten der Staatsverschuldung in Europa zurechtkommen

Allerdings könnten deutsche Sparer von einem EZB-Präsidenten Weidmann, dessen Kompetenz als unbestritten gilt, keine Wunderdinge erwarten. Auch er müsste mit den Realitäten der Staatsverschuldung in Europa zurechtkommen und könnte nicht von heute auf morgen wieder für spürbare Zinserhöhungen sorgen. Vor dem Hintergrund solch hoher Erwartungen ist also durchaus die Frage erlaubt, ob sich Weidmann mit dem Job des EZB-Chefs überhaupt einen Gefallen tun würde. Aber ohne Zweifel, für die Kapitalmärkte und das Vertrauen in eine verlässliche Geldpolitik wäre Weidmann an der EZB-Spitze ein starkes Signal.

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