Renditehunger
Freitag, 29.05.2009 13:16 von Jochen Steffens, Geschäftsführer Stockstreet GmbH
Sie
wissen, eine der Fragen, die ich hier immer wieder stelle, lautet: Welche
Anlagemöglichkeit wird sich das renditehungrige Geld als nächstes aussuchen?
Kann man die Frage frühzeitig beantworten, ergeben sich daraus zumeist hoch lukrative
mittel- bis langfristige Anlagemöglichkeiten. Doch dieses weltweit
agierende, vagabundierende Geld leidet im Moment unter einem Anlagenotstand.
Die Zinsen sind weltweit auf niedrigstem Niveau. Es gibt nur noch wenige Länder
mit höheren Zinsen (z.B. Brasilien). Die Aktienmärkte sind auf Talfahrt,
und es ist trotz der aktuellen Erholung noch nicht sicher, wann diese Talfahrt
wirklich zu Ende ist.
Was
macht also dieses Geld? Es steht offenbar an der Seitenlinie und hofft auf
bessere Zeiten. Teilweise wird bereits vorsichtig investiert, im Aktienmarkt
und natürlich auch im Rohstoffmarkt. Und kein Zweifel, diese beiden Märkte
hängen zusammen. Wenn der Aktienmarkt boomt , ist das normalerweise ein Zeichen
dafür, dass auch die Wirtschaft wieder anziehen wird. Eine Erholung der
Wirtschaft würde wiederum den Verbrauch von Rohstoffen antreiben und somit auch
die Nachfrage und schlussendlich die Rohstoffpreise.
Sollte
es jedoch zu einer tiefen weltwirtschaftlichen Rezession kommen, wird darunter
sowohl der Aktien- wie auch der Rohstoffmarkt leiden. Soweit die Theorie.
Begrenzte
Ressourcen als zusätzliche Sicherheit
Nun
gibt es natürlich Rohstoffe, die schnell knapp werden könnten, zum Beispiel Öl.
Versetzen wir uns also in die Lage eines vermögenden Anlegers. Sein Geld wirft
zurzeit keine Rendite ab. Er beobachtet die Aktienmärkte mit Sorge und will nur
vorsichtig seine Investitionsquote erhöhen. Auf der Suche nach Alternativen
könnte er auf die Idee kommen, einen Teil des Vermögens in Rohstoffe zu
investieren – langfristig.
Dem liegt eine Strategie zugrunde: Wenn der Aktienmarkt weiter fallen sollte
und es zu einer länger andauernden globalen Rezession kommt, so hat er bei
diesen Rohstoffen wenigstens noch eine langfristig zweite Chance auf Rendite,
nämlich dass sich die Vorkommen immer mehr erschöpfen und das sinkende Angebot
die Preise treibt. Gerade beim Öl gibt ihm diese Option langfristig Sicherheit.
Zudem weiß er, dass Investitionen in die Erschließung und Entdeckung von neuen
Ölvorkommen oder anderen Gewinnungsmöglichkeiten (Ölsand /
Ölschiefer/Tiefsee) bei Preisen unter 50 Dollar ausbleiben werden. Als Anleger
hat er somit eine Art doppelten Boden. Zwar können die Kurse kurzfristig immer
mal wieder unter diese Marke fallen, längerfristig sollten sie sich aber
deutlich über dieser 50-Dollar-Marke stabilisieren.
Doch
denken wir weiter
Diese
Investmentidee ist natürlich noch nicht allzu bekannt. Zu sehr sind die meisten
Anleger mit der Krise der Weltwirtschaft, dem Crash an den Aktienmärkten und
dem Anleiheboom beschäftigt. Doch stellen wir uns vor, das renditehungrige Geld
entdeckt nach und nach (erneut) den Ölmarkt. Stellen wir uns dazu weiter vor,
dass immer offensichtlicher wird, dass der Ölpreis nach unten tatsächlich bei
50 Dollar massiv unterstützt ist.
Je
mehr Anleger anhand des Charts oder aus eben diesen fundamentalen Überlegungen
erkennen, dass eine Anlage bei einer bestimmten Marke massiv unterstützt ist,
desto mehr werden sie bereit sein, dort zu investieren. Das wird zunächst dazu
führen, dass sich diese untere Grenze immer weiter nach oben verschiebt. Es
entsteht ein Aufwärtstrend.
In
diesem Fall kommt noch ein weiterer Umstand hinzu: Die meisten
Computerprogramme, die weltweit die Märkte scannen, beruhen im Prinzip noch
immer auf Trendfolgesysteme. Wenn sich also im Ölpreis ein sich bestätigender
Aufwärtstrend ausbildet, wird immer mehr Geld ins Öl fließen. Diese Faktoren
könnten in letzter Konsequenz dazu führen, dass wir im Ölpreis eine massive
Echoblase erleben, ohne dass es zu einer Stabilisierung der Weltwirtschaft
kommen muss.
Der
Ölchart
Quelle:
www.prorealtime.com
Bis
jetzt bildet sich im Ölpreis, nach diesem massiven Einbruch im Jahr 2008,
lediglich eine Gegenbewegung aus, die bisher auch eine einfache
„abc“-Korrektur darstellen könnte. In diesem Fall wäre noch Platz
bis knapp unter 70 Dollar. Anschließend sollte der Kurs wieder einbrechen.
Längerfristig
betrachtet liegt der eigentliche Widerstand jedoch bei 78 Dollar. Im Prinzip
kann man sagen: Kurse unterhalb der 78-Dollar-Marke sind bearish, Kurse über 78
Dollar weisen auf einen neuen Boom hin.
Die
Entscheidung wird um den 2. Juni herum fallen, dort befindet sich ein Target
(roter Kreis). Sollte die 68er Marke dynamisch überwunden werden, ist die bei
78 Dollar das nächste Kursziel. Prallt der Kurs an dieser Marke nachhaltig ab,
wird es zu einer Konsolidierung kommen, die bei einem dynamischen Verlauf die
Kurse auch wieder an die 50-Dollar-Marke treiben kann. Dort wird sich dann
zeigen, wie unterstützt diese 50er Marke wirklich ist.
Gefahr
für die Wirtschaft
Sollte
es zu einer Echo-Bubble kommen, werden der stark steigende Ölpreis und damit
verbunden auch die wahrscheinlich weiter steigenden Rohstoffpreise die sowieso
schon stark angeschlagene Weltwirtschaft empfindlich treffen. Auf die
Unternehmen aber auch auf die Verbraucher kämen erhebliche zusätzliche
Belastungen zu. Diese würden eine Rezession nur verschärfen.
Eigentlich
müssten darauf dann wieder die Rohstoffpreise reagieren, weil eine tiefe
Rezession die Nachfrage belasten würde. Das sieht man in diesem Jahr, die
Rezession führt dazu, dass der weltweite Ölverbrauch in diesem Jahr um 3 %
zurückgehen soll.
Doch
da dieser Anstieg der Rohstoffpreise Folge des Renditehungers des
vagabundierenden Geldes wäre, könnte dieser Renditehunger die schwächere
Nachfrage überkompensieren. Eine an sich völlig verrückte Entwicklung, aber
auch ein gutes Beispiel dafür, was eine Niedrigzinspolitik verbunden mit einer
unkontrollierten Ausweitung der Geldmenge alles für seltsame Blüten treiben
könnte.
Noch
ist das alles nichts weiter als eine Theorie. Aber wie immer geht es darum,
mögliche Entwicklungen frühzeitig abzuklopfen.
Viele
Grüße
Jochen
Steffens