Marktstimmung: "Alles Positive scheint eingepreist"

Mittwoch, 10.07.2019 15:50 von

10. Juli 2019. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Das wohl wichtigste Ereignis für die Finanzmärkte findet heute nicht hierzulande, sondern wohl in den USA statt. Die Rede ist von der heute beginnenden zweitägigen Anhörung des Fed-Chefs Jerome Powell vor Ausschüssen des Repräsentantenhauses und des US-Senats. Dabei versprechen sich die Börsianer letztlich eine Bestätigung der von ihnen bereits beinahe zu 100 Prozent eingepreisten Leitzinssenkung in Höhe von 25 Basispunkten durch die Notenbank bei deren Sitzung Ende Juli. Weitergehende Zinsträume (etwa eine Senkung von 50 Basispunkten) sind mittlerweile realistischerweise vom Tisch. Dennoch: Auch der kleinste Hinweis, dass es mit dem besagten Zinsschritt von 25 Basispunkten womöglich nichts werden könnte, würde wohl vielerorts als massive Enttäuschung erlebt. Ganz zu schweigen von den dann zu erwartenden neuerlichen Tiraden von US-Präsident Donald Trump. Wobei man sich dann mancherorts sogar Sorgen machen dürfte, ob der US-Präsident trotz aller rechtlichen Unwägbarkeiten weiter an Powell festhalten würde. Während eine Zinssenkung im Juli also weithin erwartet wird, erhoffen sich die Akteure natürlich auch Hinweise darauf, ob es sich lediglich um einen präventiven Schritt („insurance“) gegen eine mögliche Wachstumsschwäche handelt und, was noch viel wichtiger ist, was möglicherweise geldpolitisch für die kommenden Monate geplant sein könnte.

„Alles Positive ist eingepreist“, mögen sich vielfach auch die von uns allwöchentlich befragten institutionellen Investoren mit mittelfristiger Ausrichtung gedacht haben. Frei nach dem Motto: Es kann nur noch Enttäuschungen bei den DAX-Aktien geben. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index ist nicht nur um 31 Punkte auf einen Stand von -19, sondern gleichzeitig auf das niedrigste Niveau seit dem 24. Oktober 2018 gefallen. Dieser deutliche Stimmungsumschwung hat möglicherweise noch am vergangenen Freitag stattgefunden, als der US-Arbeitsmarktbericht wider Erwarten ausgesprochen positiv ausgefallen und damit weitergehende Zinssenkungshoffnungen (vgl. oben) für Ende Juli begraben werden mussten. Und da sich der DAX bis dahin auch noch nicht allzu weit von seinem neuen Jahreshoch entfernt hatte, fiel der Positionswechsel ins Bärenlager wahrscheinlich nicht allzu schwer.

Privatanleger ziehen nach

Auch bei den Privatanlegern gab es einen deutlichen Stimmungswechsel zum Negativen, der allerdings längst nicht so stark war wie bei den institutionellen Pendants ausfiel. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieses Panels fiel nur um 19 Punkte auf einen Stand von -12 und markierte deswegen auch kein neues Jahrestief.

Die heutige Erhebung zeigt also, dass sich sowohl private als auch institutionelle Investoren vorsichtshalber auf die Bärenseite geschlagen haben. Deswegen ist auch der Kursverlust des DAX von 1,4 Prozent im Wochenvergleich überwiegend auf diese Aktivitäten zurückzuführen. Sicherlich dürften die heutigen Absicherungen und Verkäufe nicht aus Angst vor einem größeren Kurseinbruch geschehen sein, aber auf die Akteure scheinen die Risiken einer Abwärtskorrektur bedrohlicher zu wirken, als die Chancen auf eine stärkere Rallye sie ermutigen. Deswegen erwarten wir die Verkäufer der vergangenen Tage erneut als Nachfrager auf niedrigerem Niveau (möglicherweise zwischen 12.250 und 12.200 DAX-Zählern), allerdings frühestens am morgigen Handelstag. Sollten sich die Vorsichtsmaßnahmen von heute indes als überflüssig erweisen und der DAX nicht wie mehrheitlich erhofft in Bedrängnis geraten, hätten die Bären recht schnell das Nachsehen, und der Markt bekäme es im Rahmen von eiligen Rückkäufen mit einer abermaligen Short-squeeze und einer möglicherweise saftigen Rallye des DAX zu tun. Denn vor allem der Pessimismus der institutionellen Investoren befindet sich sowohl absolut als auch relativ bereits heute in recht extremen Bereichen.

10. Juli 2019, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

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