EU soll von Odysseus lernen

Samstag, 18.02.2017 10:14 von

Will sich die Europäische Union (EU) retten, so soll sie von Odysseus, dem größten Helden der griechischen Mythologie, lernen. Ihn, den sie auch den „Listenreichen“ nennen, soll sich die EU zum Vorbild nehmen, so suggerieren es der Leiter des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, und der Ökonom Johannes Becker.

Weil Griechenland wieder mal von seinen Gläubigern Konzessionen als Gegenleistung für Reformen fordert, schwindet erneut die Hoffnung, dass es noch in diesem Monat zu einer Einigung über das Hilfsprogramm von Europäischer Union (EU), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) kommt. Immerhin müsste es bis zum 20. Februar zu einer Einigung kommen. „Alles liegt wieder auf dem Tisch", wie es Fuest ausdrückt.

Aber damit dreht sich Europa im Kreis. Überschuldete Staaten mit ungelösten Strukturproblemen refinanzieren sich aufgrund einer falsch verstandenen EZB-Politik des billigen Geldes immer noch auf einfache Weise und können so die Staatspleite abwenden. Doch damit wird die Währungsunion selbst aufs Spiel gesetzt. Die Frage ist, ob sich dieser Teufelskreis durchbrechen lässt. Fuest und Becker sagen Ja, indem sie mit ihrem Buch „Der Odysseus-Komplex“ einen „pragmatischen Vorschlag zur Lösung der Eurokrise" liefern.

Souveräne Staaten hätten dasselbe Problem wie Odysseus, sagen die Autoren. „Sie können sich von sich aus nur bedingt binden", so Fuest. Wie Odysseus dem Klang der Sirenen, so müssten die Schuldensünder der EU der Versuchung neuer Schulden widerstehen lernen. Staaten aber werden sich solange höher verschulden, wie die Haushaltspolitik politisch in der Macht jedes einzelnen Staates liegt. Um diese Situation zu überwinden, so das Kalkül von Fuest und Becker, ist es unabdingbar, dass die Staaten Kompetenzen abgeben. Schließlich hat sich Odysseus auch nicht selbst an den Mast gebunden, um dem Gesang der Sirenen standzuhalten. Nein, er hat sich von seiner Crew fesseln lassen.

Fuest und Becker haben dieses Ansinnen mit konkreten Vorschlägen untermauert. Demnach soll jeder Staat Verantwortung übernehmen – mit so genannten Accountability Bonds, frei übersetzt: nachvollziehbare oder verantwortungsvolle Staatsanleihen. Dies soll für zukünftige Schulden gelten, Altschulden bleiben außen vor.

Schulden sollen laut Fuest und Becker oberhalb der Defizitgrenzen nur noch mit nachrangigen Anleihen finanziert werden dürfen. Im europäischen Fiskalpakt beträgt diese Grenze 0,5% des Bruttoinlandsproduktes. Die überbordenden Schulden würden also als Erstes ausfallen. Diese dürfen dann nicht von der EZB gekauft werden und auch von Banken nur mit hoher Eigenkapitalunterlegung gehalten werden. Folglich werden deutlich höhere Zinsen für diese Anleihen erwartet, weil die Kosten der Verschuldung nicht auf andere Länder abgewälzt werden können. Ergo: Die herrschende Subventionierung des Schuldenmachens durch Elemente der Solidarhaftung würde abgeschafft werden. Überbordendes Schuldenmachen wäre jedem Mitgliedsland möglich - die Frage wäre dann nur, ob es noch Investoren geben wird, die dafür bezahlen.

Für die Autoren liegt der Vorteil in ihrem Modell darin, dass nur ein kleines Segment dem Markt ausgesetzt werde. Und die Investoren haben die Wahl: Wollen sie die Unsicherheit mit besserer Rendite oder Sicherheit mit weniger Rendite. Dabei handelt es sich um einen Vorschlag, der den ursprünglichen Mechanismen einer Kreditfinanzierung entspricht. Bedenkenswert!



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