Der Grexit rückt näher

Samstag, 04.04.2015 12:42 von

Das Hick-Hack zwischen der Regierung in Athen und den Europartnern zieht sich hin. Zwar mag es nach dem Treffen des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin „atmosphärische Verbesserungen" gegeben haben, in der Sache aber ist man sich nicht wirklich näher gekommen. So lässt zum einen die Reformliste, die Tsipras in Brüssel abgegeben hat, zum wiederholten Mal zu wünschen übrig. Und zum anderen will die Regierung in Athen gleichzeitig immer engere Bande mit Moskau knüpfen. Wenn Tsipras dann noch sagt, man strebe einen „ehrenhaften Kompromiss" mit den Geldgebern an, kann man daraus verschiedene Schlüsse ziehen.
Der eine könnte sein, man einigt sich auf eine gesichtswahrende Lösung für alle Seiten, die ein sozial ausgewogeneres Reformpaket für Griechenland als bisher vorsieht. Die andere Lösung könnte auch sein, dass man sich doch für den „Grexit“ entscheidet, der die EU zwar teuer zu stehen käme, aber die Währungsunion und damit der Euro könnten sogar gestärkt aus einer solchen Entwicklung hervorgehen.

Ist es nur Taktik, wenn Griechenlands Regierungschef Tsipras nach den bisher erfolglos mit den internationalen Geldgebern geführten Verhandlungen immer eindeutigere Liebesgrüße nach Moskau sendet? Nach einem bisher „frostigen Verhältnis" strebe er in den bilateralen Beziehungen einen „Frühling" an, sagte Tsipras gegenüber der russischen Agentur Tass, und kennzeichnete die westlichen Sanktionen gegen Russland wegen des Ukrainekonflikts als „Sackgasse". Die frühere Athener Regierung hat sich zwar den, wie Tsipras sagt, „sinnlosen" Maßnahmen angeschlossen, aber Athens Position könne sich ändern, deutete der Regierungschef an. Damit liebäugelt Tsipras erneut mit einem Unterlaufen der Sanktionspolitik und dem Ausscheren eines Nato-Mitglieds aus der Position der EU.

Russland hatte der neuen griechischen Regierung bereits vor Wochen Hilfen zugesagt. Damals hatte es geheißen, Athen könnte am 9. April das Geld ausgehen. Just einen Tag zuvor wird Tsipras nun in Moskau sein. Vorher erwartet auch EU-Ratspräsident Donald Tusk in den Verhandlungen mit Griechenland keine Einigung, denn inzwischen soll das Geld noch bis Mitte April ausreichen. Die Bewertung der verlangten Reformpläne sei „sehr komplex“, sagt Tusk. Klar, Tsipras versucht, beide Eisen im Feuer zu halten. Die Frage ist nur, wie lange man in Brüssel bei der EU-Kommission und in Frankfurt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) das Pokerspiel mitmacht.

Denn Griechenland kann die Staatspleite derzeit nur dank der EZB verhindern. Zwar hat die Notenbank vergangene Woche griechischen Geschäftsbanken, die unter den anhaltenden Barabhebungen ihrer Kunden leiden, verboten, weitere Staatspapiere ihres Landes aufzukaufen. Gleichzeitig aber hält die EZB die griechischen Institute am Leben, indem sie den Rahmen für Not-Liquiditätshilfen (Ela) immer wieder aufstockt – zuletzt von 70 auf 71 Mrd. € just in der vergangenen Woche. Die EZB hält damit den Schlüssel für den Grexit in der Hand, wie es der ING-DiBa-Chefvolkswirt Carsten Brzeski formuliert.

Sollte die Notenbank die Reißleine ziehen, wäre Griechenland insolvent. Es ist anzunehmen, dass dies nicht abrupt geschehen würde. Aber aufgrund des anhaltenden Finanzpokers zwischen der EU und Athen sowie der unsicheren geopolitischen Haltung der neuen griechischen Regierung ist der Grexit wahrscheinlicher geworden. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu vermuten, dass ein solcher Austritt Griechenlands aus der europäischen Währungsunion einem goldenen Handschlag gleichen würde, mit dem die EU sein Mitgliedsland an der Ägäis verabschieden könnte. Dass ein solcher Schritt teuer wäre, dürfte klar sein. Es könnte aber auch ein Zeichen für die Stärke der Währungsgemeinschaft sein, was nicht zuletzt dem Euro einen Schub verleihen würde.






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