Die Deutschen gelten als Aktienmuffel. (Symbolfoto)
Samstag, 23.09.2017 10:00 von | Aufrufe: 2998

Zur Bundestagswahl 2017: Sollte Deutschland mehr Aktie wagen?

Die Deutschen gelten als Aktienmuffel. (Symbolfoto) - © istock.com / MarianVejcik

Die Deutschen sind Aktienmuffel. Ob Altersvorsorge oder Vermögensaufbau: Vergleichsweise wenig Deutsche trauen sich an Wertpapiere heran. Dabei verspricht die Anlage in Aktien vor allem in Zeiten von Niedrigzinsen vielversprechende Renditen. Hier hinkt Deutschland im europäischen Vergleich trotzdem noch deutlich hinterher. Deshalb setzt sich vor allem das Deutsche Aktieninstitut für eine Förderung der Aktie in Deutschland ein und sieht hier auch die Politik in der Pflicht. Welche Rolle spielt also die Förderung deutscher Aktienkultur im Bundestagswahlkampf?

Wie ist es um die Aktie in Deutschland bestellt?

Die Zahl der Aktionäre und Aktienfondsbesitzer ist im vergangen Jahr stabil geblieben, wie das Deutsche Aktieninstitut in seiner im Februar veröffentlichten Studie zu den Aktionärszahlen des Jahres 2016 bekanntgab. Die Zahl habe im Durchschnitt bei neun Millionen Aktien- und Aktienfondsbesitzern gelegen und damit auf dem gleichen Stand wie schon 2015. Damit seien nur 14 Prozent der Gesamtbevölkerung Besitzer von Aktien oder Aktienfonds, aus Sicht des Deutschen Aktieninstituts immer noch viel zu wenig. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte sei die Anzahl der Aktienbesitzer deutlich angestiegen. Das Deutsche Aktieninstitut führt dies vor allem auf die niedrigen Zinsen zurück, was die Vorteile renditestarker Aktien hervorgehoben habe. Nichtsdestotrotz gebe es hier noch Verbesserungspotenzial, denn insgesamt hätten Aktien und Aktienfonds im Jahr 2016 nur gut acht Prozent am gesamten Geldvermögen der Deutschen ausgemacht. Einer Studie zur Aktienkultur in Deutschland zufolge habe rund ein Drittel aller Aktienbesitzer bis zu 10.000 Euro investiert und nur rund ein Fünftel habe sogar mehr als 50.000 Euro in Wertpapieren angelegt. Die Studie wurde im Januar 2017 von der „Aktion pro Aktie“ durchgeführt, bei der es sich um eine Aktion führender Direktbanken zur Stärkung der Aktie in Deutschland handelt.

Das Deutsche Aktieninstitut hebt mehrere Entwicklungen hervor, die nach Ansicht des Lobbyverbands die Aktienkultur in Deutschland derzeit eher hemmen als fördern. So würden Aktien noch eine zu geringe Rolle in der Altersvorsorge spielen und auch steuerlich diskriminiert werden. Darüber hinaus gebe es zu wenig Börsengänge, da die bürokratischen Hürden zu hoch seien. Von 2013 bis 2017 seien pro Jahr in Deutschland weniger als zehn Unternehmen an die Börse gegangen. Ebenso könnten Aktien eine wichtigere Rolle bei der Finanzierung von Stiftungen spielen und auch in Sachen Aktienberatung durch Kreditinstitute, wirtschaftliche Bildung in der Bevölkerung, Anreize zur Mitarbeiteraktie und Vermögensaufbau gebe es Verbesserungspotenzial.

Warum zögern Deutsche bei Aktien?

Die große Skepsis, mit der viele Deutsche Aktienanlagen begegnen, liegt an einem ausgeprägten Sicherheitsdenken, weshalb Aktien erst einmal riskant wirken. Die Deutschen setzen ganz traditionell eher auf Lebensversicherungen und Sparbücher. Zudem dürfte vielen auch noch das Börsenjahr 2001 in Erinnerung sein: Zwar gab es damals in Deutschland deutlich mehr Aktienbesitzer als heute – allerdings steht dieses Jahr auch sinnbildlich für eine verlustreiche Zeit für Privatanleger. Die damalige Blase der Tech-Aktien platzte, sodass viele Aktionäre innerhalb kürzester Zeit einen Großteil ihres angehäuften Reichtums verloren.

In der Studie der „Aktion pro Aktie“ zur Aktienkultur in Deutschland gaben 48 Prozent der Befragten außerdem fehlende finanzielle Mittel als Grund für ihre Zurückhaltung bei Aktien an. 41 Prozent der Befragten begründeten ihr Zögern mit der Angst vor Verlusten, 30 Prozent befürchten, die falschen Aktien zu kaufen und 23 Prozent der Befragten wissen gar nicht, welche Wertpapiere sie kaufen sollten. Ein Fünftel der Befragten sagt dagegen schlicht: „Ich traue mir das nicht zu“. Eine Ursache für die Anlagezurückhaltung könne der Studie zufolge also auch mangelndes Börsenwissen der Deutschen sein. Zudem habe die Aktie ein eher negatives Image, denn ein Großteil der Begriffe rund um die Themen Aktie und Börse werde im Vergleich zu anderen Finanzbegriffen tendenziell eher negativ assoziiert.

Bundestagswahl 2017: Welche Rolle spielt die Aktie?

Kapitalmarkt und Aktienkultur spielen im diesjährigen Bundestagswahlkampf kaum eine Rolle. Das Deutsche Aktieninstitut hatte deshalb Mitte September bei CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und den Linken nachgefragt. Bei der Altersvorsorge stehen grundsätzlich vor allem SPD, FDP und Grüne der Aktie als staatlich gefördertes Mittel eher aufgeschlossen gegenüber. Auch CDU/CSU sieht darin eine „interessante Anlagealternative“, bleibt in ihren Aussagen allerdings eher vage und zukunftsgerichtet. In Sachen Finanztransaktionssteuer besteht bei den befragten Parteien weitestgehend Einigkeit, denn nur die FDP lehnt eine Einführung der Steuer ab. Bei der Abgeltungssteuer plädieren SPD und Grüne für deren Abschaffung, während CDU/CSU und FDP diese an die Bedingung knüpfen, dass der vereinbarte internationale steuerliche Informationsaustausch funktioniert. Auch wenn keine Partei die steuerliche Doppelbelastung von Kapitalerträgen ganz beseitigen will, so würden dem Aktieninstitut zufolge immerhin unterschiedliche Instrumente diskutiert, um diese zu verringern.

Die Parteien wurden auch gefragt, welche Maßnahmen sie ergreifen wollen, um Börsengänge in Deutschland zu erleichtern. Mit Ausnahme der Linken seien zwar alle befragten Parteien dafür insbesondere die Bedingungen für Start-up-Unternehmen und Börsengänge zu verbessern, ohne dabei allerdings wirklich konkret zu werden. Auch bei der Stärkung der Mitarbeiteraktie bleiben die Parteien eher vage. So befürworten CDU/CSU und SPD diese zwar und wollen sie fördern, lassen aber konkrete Verbesserungsvorschläge dazu vermissen. Die Grünen sehen hier dagegen gar keinen Bedarf zu Veränderungen. Die FDP wolle im Gegensatz dazu zur Förderung von Mitarbeiterbeteiligungen den Steuerfreibetrag erhöhen und bürokratische Hürden abbauen. Auch zum Regulierungsrahmen bei der Anlageberatung durch Banken wurden die Parteien befragt. Hier sehe vor allem die FDP Handlungsbedarf: „Echte Beratung“ statt „bürokratischen Vorgaben“ laute die Devise. SPD und Grüne setzen dagegen mehr auf Honorarberatung, während die CDU/CSU hier offenbar gar keinen Handlungsbedarf sehe. Des weiteren befürworten, bis auf die Linke, grundsätzlich alle befragten Parteien mehr ökonomische Bildung, wobei das Engagement nach Ansicht des Deutschen Aktieninstituts gerade bei den beiden großen Parteien CDU/CSU und SPD eher gering ausfalle, da sich beide auf den in Schulen bereits vermittelten Stoff berufen. Die Grünen wollen wirtschaftliche Zusammenhänge altersgerecht in verschiedenen Schulfächern einbinden, während die FDP für ein eigenes Schulfach „Wirtschaft“ plädiere.

Warum Aktienkultur fördern?

Warum sollte die Anlage in Aktien und die Aktienkultur in Deutschland überhaupt gefördert werden? Reichen Versicherungen und Sparbücher zur Altersvorsorge und zum Vermögensaufbau nicht aus? Zunächst einmal: Aktien-Investments sind immer ein Risiko. Für viele Anleger kann eine Anlage in Aktien genau das richtige Mittel sein, sofern sie sich regelmäßig informieren, auf dem Laufenden bleiben und mit Bedacht vorgehen. Eine ordentliche Rendite ist daher zwar möglich aber eben nicht garantiert. Dass so viele Deutsche ihr Vermögen nicht in Aktien investieren, ist jedoch nach Ansicht des Deutschen Aktieninstituts ungenutztes Potenzial, denn immerhin würden die Deutschen insgesamt über mehre Billionen Euro Geldvermögen verfügen, von dem aber weniger als ein Zehntel am Aktienmarkt angelegt sei. Würden mehr Deutsche ihr Geld in Aktien investieren, wäre dies dem Lobbyverband zufolge ein Schub für die Wachstumsfinanzierung in Deutschland.

Die Lobbyisten plädieren deshalb für eine stärkere Förderung der Aktie, denn Deutschland brauche diese vor allem für Innovationen, Wachstum und Beschäftigung in Unternehmen sowie als Instrument des langfristigen Vermögensaufbaus für private Anleger. Vor allem aufgrund ihrer Rendite in Zeiten von Niedrigzinsen seien Aktien – trotz ihrer Volatilität – eine attraktive Anlageform. Die „Aktion pro Aktie“ führt die Zurückhaltung der Deutschen bei Aktienanlagen auf ein geringes Börsenwissen sowie eine mangelnde Förderung und Absicherung einer solchen Anlage durch den Staat zurück. Rund drei Viertel der Deutschen wünsche sich eine staatliche Förderung von Aktien, sofern diese zur Altersvorsorge genutzt werden und auch eine einfache sowie verständlichere Beratung zu dem Thema durch Banken. Der Bundestagswahlkampf zeigt jedoch, dass die Parteien nicht auf einen Wahlkampfschlager „Aktienkultur“ setzen. Antworten auf entsprechende Fragen des Deutschen Aktieninstituts bleiben in großen Teilen vage. Es ist daher fraglich, ob die diesjährige Bundestagswahl grundsätzlich etwas an der Aktienkultur in Deutschland ändern wird.


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