Der Berliner Fernsehturm ist hinter dem Reichstag zu sehen.
Donnerstag, 26.04.2018 15:34 von | Aufrufe: 1136

ROUNDUP 4: Sorge vor US-Zöllen ab 1. Mai: Berlin drängt Trump zu Verhandlungen

Der Berliner Fernsehturm ist hinter dem Reichstag zu sehen. pixabay.com

BERLIN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Aus Sorge vor nahenden Strafzöllen dringt die Bundesregierung in Washington auf neue Verhandlungen. Dabei müsse über alle Industriezölle gesprochen werden, hieß es am Donnerstag in Berlin - kurz vor der Abreise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die US-Hauptstadt.

US-Präsident Donald Trump hatte die EU zunächst von Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumprodukte ausgenommen. Die Bundesregierung rechnet aber nicht damit, dass diese Ausnahmen verlängert werden. Es sei wahrscheinlich davon auszugehen, dass die Zölle am 1. Mai kämen, hieß in deutschen Regierungskreisen. Sollte es allerdings zu einer Verschiebung kommen, wolle man einen Dialog mit den Amerikanern über Zölle und Handelsschranken starten. Merkels Ziel sei es, die für beide Seiten nützlichen, sehr guten Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen, hieß es weiter.

Die EU-Kommission rechnet im Gegensatz zur deutschen Regierung weiter mit einer Verlängerung der Ausnahme für die 28 EU-Staaten. "Unsere Erwartung bleibt, ausgenommen zu bleiben, aber falls nötig sind wir bereit", sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Donnerstag. Man stehe in ständigem Kontakt mit der US-Administration und dringe auf eine "dauerhafte und bedingungslose Ausnahme". Für den Fall, dass europäische Unternehmen nicht dauerhaft von den neuen US-Zöllen auf Stahl- und Aluminiumerzeugnisse ausgenommen werden, hatte die EU bereits Vergeltungszölle angekündigt.

Die Zeit für Verhandlungen mit der US-Seite in dieser Frage sei bis zum 1. Mai nur noch sehr kurz, hieß es in den deutschen Regierungskreisen. Die Kanzlerin werde das Thema bei ihrem Treffen mit US-Präsident Donald Trump an diesem Freitagabend im Weißen Haus ansprechen. Unabhängig von der Einschätzung, dass die Ausnahmen für die EU nicht verlängert würden, wurde betont, die deutsche Seite werde dafür plädieren, die Einführung von Strafzöllen zunächst zu verschieben. Anschließend wolle man einen Dialog mit den Amerikanern über Zölle und Handelsschranken starten. Dabei will Berlin mit Washington über alle Industriezölle sprechen.

Die Regierungskreise räumten zwar ein, dass es nach wie vor einen deutschen Handelsüberschuss von 50 Milliarden Euro mit den USA gebe. Das Handelsbilanzdefizit gehe aber zurück. Zudem seien für die Bilanz Faktoren verantwortlich, die von der Bundesregierung nicht beeinflusst werden könnten, wie die Währungskurse, der Ölpreis oder die demografische Entwicklung. Deutsche Firmen investierten in den USA 210 Milliarden Euro, während die Amerikaner USA in Deutschland nur 112 Milliarden investierten. Außerdem hätten deutsche Firmen 2015 in den USA 837 000 Arbeitskräfte beschäftigt.

Auch den Vorwurf Trumps, es gebe in Europa unfaire Zölle auf Pkw, wiesen die Regierungskreise strikt zurück. Wenn man die Zahlen (Europa: 10 Prozent, USA: 3 Prozent) etwa um den in den Vereinigten Staaten wichtigen Markt von Pick-ups oder sogenannten SUVs gewichte und glätte, sei man schon bei "fast ausgeglichenen" Zöllen. In der gesamten Industrie mit Ausnahme des Agrarsektors seien die Zölle in Europa sogar ein wenig niedriger als in den USA: Dort betragen sie demnach in diesem Bereich 1,6 Prozent, in Europa 1,4 Prozent.

Die deutsche Industrie betrachtet die Entwicklung mit großer Sorge. "In Deutschland hängt jeder vierte Arbeitsplatz am Export. In der Industrie ist es sogar mehr als jeder zweite", sagte Präsident des Industrieverbandes BDI, Dieter Kempf. Kempf verlangte, Merkel sollte Trump auffordern, vollständig von den Importbeschränkungen auf Stahl und Aluminium abzusehen. "Sie sollte ihm verdeutlichen, welche Risiken von den US-Maßnahmen nicht nur für die Weltwirtschaft und den Welthandel, sondern auch für die US-Wirtschaft ausgehen: Angriffe auf den Freihandel gefährden Wohlstand und Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks."

Zugleich müsse über mehr gesprochen werden als nur über Zölle, forderte Kempf. "In den USA beschränken beispielsweise "Buy-America"-Regeln den Zugang für ausländische Unternehmen zum Vergabemarkt."

"Eine zunehmende Abkehr der USA von weltweiten Vereinbarungen besorgt und betrifft die deutschen Unternehmen direkt", sagte auch DIHK-Präsident Eric Schweitzer der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die USA seien mit Ausfuhren von mehr als 110 Milliarden Euro pro Jahr Deutschlands wichtigster Exportmarkt. Auch amerikanische Unternehmen und Verbraucher profitierten vom internationalen Austausch.


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Weil internationale Handelspolitik in der EU nicht Sache der einzelnen EU-Mitglieder ist, laufen die Fäden im Handelsstreit mit den USA allerdings in Brüssel zusammen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erwartet nach früheren Angaben, dass es in der nächsten Woche eine abgestimmte Position der EU zum weiteren Vorgehen im Handelsstreit mit den USA geben wird. "Wir tun gut daran, jede Eskalation zu vermeiden", hatte Altmaier am Mittwoch in Berlin gesagt. "Wir haben eine Verantwortung dafür, dass ein unkontrollierter Wettbewerb um Zölle vermieden wird."

Die EU will eine gemeinsame Linie in den Verhandlungen mit den USA erreichen. Altmaier verwies darauf, dass es in Frankreich eine "kontroverse Debatte" darüber gebe, welche Verhandlungsangebote den USA gemacht werden sollten.

Mit einer Beschwerde bei der Welthandelsorganisation WTO hatte sich die EU vor gut einer Woche mögliche Vergeltungszölle gegen die USA offen gehalten. In einem von der WTO veröffentlichten Dokument verlangte die Europäische Union offiziell den Start von Konsultationen mit der US-Regierung. Die EU könnte ihrerseits Schutzzölle auf US-Produkte wie Whiskey, Motorräder und Jeans verhängen./bk/kf/wim/DP/zb

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