Linde: Aufsichtsrat entscheidet über Praxair-Fusion

Der Aufsichtsrat von Linde entscheidet heute in einer Sitzung in München über die umstrittene Fusion mit dem amerikanischen Konkurrenten Praxair. Beide Unternehmen wollen sich zum größten Industriegasekonzern der Welt zusammenschließen. Widerstand gegen den Fusionsvertrag gibt es allerdings in den Gewerkschaften, die sich dem Vorhaben mit prominenter Unterstützung in den Weg stellen: Gemeinsam mit Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries von der SPD wollen sie eine Abstimmung vertagen und einen neutralen Vermittler einsetzen. Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Reitzle will die Fusion dagegen auf jeden Fall durchboxen und hatte zuvor bereits angekündigt, notfalls von seinem Doppelstimmrecht Gebrauch zu machen.

Widerstand gegen die Fusion

Die Fronten scheinen verhärtet: Auf der einen Seite will Reitzle die Fusion mit Praxair unbedingt durchsetzen und so jährlich rund eine Milliarde Dollar an Synergien heben. Aufsichtsratsvertreter und Aktionäre unterstützen den Plan. Auf der anderen Seite befürchten Betriebsrat und Gewerkschaften allerdings einen Verlust an Mitbestimmungsrechten und Stellenabbau. Das fusionierte Unternehmen soll künftig von Praxair-Chef Steven Angel aus den USA geleitet werden und die Holding in Irland liegen. Offen ist, ob sich der Dresdner Betriebsratschef Frank Sonntag nach den anderen Arbeitnehmern richtet oder sich enthält. Linde plant eine Schließung des Standorts Dresden. Nur für den Fall einer Fusion gäbe es eine Standort- und Beschäftigungsgarantie bis 2021.

Bereits am Dienstag hatten Gewerkschaftsvorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie Michael Vassiliadis sowie Bundeswirtschaftsministerin Zypries ein Vermittlungsverfahren vorgeschlagen. „Der geplante Zusammenschluss von Linde und Praxair braucht die Akzeptanz der Arbeitnehmerseite, denn eine Übernahme ohne die volle Unterstützung der Belegschaft kann nicht gut funktionieren. Deshalb unterstütze ich die Forderung von Michael Vassiliadis nach einen Mediationsverfahren.“, sagte Zypries am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa.

Reitzle und das Doppelstimmrecht

Sollte es im Aufsichtsrat zu einer Patt-Situation kommen, will Reitzle die Fusion notfalls mit seiner doppelten Stimme als Aufsichtsratschef durchbringen, wie bereits im April publik wurde. Er wäre nicht der erste Aufsichtsratschef, der eine Entscheidung mit Hilfe seines Doppelstimmrechts durchsetzt: 2009 kam es bei der ThyssenKrupp-Tochter Marine Systems zu einem ähnlichen Fall, als der damalige Aufsichtsratschef Dr. Olaf Berlien den Verkauf der Nordseewerke Emden so gegen den Widerstand auf Arbeitnehmerseite durchsetzte. Allerdings gab es auch auf Arbeitgeberseite seinerzeit Kritik, während Reitzle sich wohl auf den Rückhalt von Aufsichtsratsvertretern und Aktionären verlassen kann. Sollte die Fusion durchkommen, könnte der 2016 angestoßene Deal bereits im kommenden Jahr über den Tisch gehen. Das neue Unternehmen wäre Weltmarktführer in der Gasbranche und an der Börse über 60 Milliarden Dollar wert. Bereits Mitte August 2016 kam es zu Fusionsgesprächen zwischen Linde und Praxair, die jedoch im ersten Anlauf scheiterten. Später kamen die beiden Unternehmen dann erneut zusammen und konnten sich noch vor dem Jahresende auf die Fusion einigen.

Börse: Linde-Aktie legt zu

Am heutigen Donnerstag entscheidet sich die Zukunft der Linde-Praxair-Fusion im Aufsichtsrat. Ob Reitzle allerdings wirklich von seinem Doppelstimmrecht als Aufsichtsratschef Gebrauch machen muss, wird sich erst im Laufe des Tages herausstellen. Anleger blieben am Donnerstag trotz der zukunftsweisenden Aufsichtsratssitzung eher optimistisch. Die Aktie von Linde legte bis zum Mittag ordentlich zu und notierte zuletzt mit 1,79 Prozent im Plus bei 173 Euro je Aktie. Sie gehörte damit zu den stärksten Werten im Dax.