Samstag, 24.02.2018 10:51 von Klaus Stopp | Aufrufe: 182

Personalkarussell der EZB beginnt sich zu drehen

Als Irlands Finanzminister Paschal Donohoe noch vor Sitzungsbeginn der Euro-Gruppe in dieser Woche die Bewerbung „seines“ Notenbankchefs Philip Lane zurückgezogen hatte, war der Weg für Luis de Guindos geebnet. Der spanische Wirtschaftsminister wird den Posten des Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) von dem Portugiesen Vitor Constancio übernehmen, was für die 2019 anstehende Wahl des Chefpostens als richtungsweisend gelten kann. Denn nun sind die Aussichten für den zumindest in den „Nordländern“ der EU sehr geschätzten Bundesbank-Chef Jens Weidmann, Mario Draghi an der EZB-Spitze zu beerben, vorsichtig ausgedrückt, nicht schlechter geworden.

 

 

Draghis Amtszeit endet im Oktober 2019. Und den bisherigen Usancen folgend werden die EZB-Chefposten stets von einem Nord- und einem Südeuropäer besetzt. Diese verfolgen traditionsgemäß unterschiedliche Philosophien. Während de Guindos als Verfechter einer eher expansiven Geldpolitik mit niedrigen Zinsen als „Taube“ gilt, gehört Weidmann als ein ausgesprochener Protagonist einer straffen Geldpolitik den „Falken“ an. Immer wieder hatte der Bundesbank-Chef in den vergangenen Monaten und Jahren die Flutung der Märkte durch EZB-Gelder kritisiert und eine weniger expansive Geldpolitik gefordert. So gesehen, wissen die europäischen Finanzpolitiker, was sie von Weidmann zu erwarten hätten. Nachdem die bisherigen EZB-Präsidenten aus den Niederlanden, Frankreich und Italien kamen, also aus zwei Südländern und einem der Nordhälfte, wäre nun ein Deutscher schlichtweg „endlich mal dran“. Doch mit Axel Weber stand schon einmal ein Bundesbanker davor, die EZB-Spitze zu bekleiden. Im Streit um die grundsätzliche geldpolitische Ausrichtung der EZB aber hatte Weber zurückgezogen – und den Weg für Draghi freigemacht.

 

 

 

Jedenfalls muss die Nachfolgeregelung für Draghi im Kontext des gesamten Personalkarussells gesehen werden, das sich in der EZB zu drehen beginnt. So gilt es, 2019 im EZB-Direktorium den Posten des Belgiers und EZB-Chefvolkswirts Peter Praet neu zu besetzen, bevor Ende 2019 der Franzose Benoit Coeure ausscheidet. Bereits Ende dieses Jahres endet die Amtszeit der Chefin der EZB-Bankenaufsicht, der Französin Daniele Nouy. Und ganz nebenbei finden im Jahr 2019 die Europawahlen statt, in deren Folge weitere politische Führungspositionen zu besetzen sein werden.

 

 

 

Neben Weidmann gilt auch der Chef der niederländischen Zentralbank, Klaas Knot, als Kandidat für die Draghi-Nachfolge. Knot und Weidmann vertreten zwar ähnliche Positionen, allerdings tritt der Niederländer diplomatischer auf und wäre daher für die Südländer gegebenenfalls eher zu akzeptieren. Und ganz abgeschrieben scheint auch der Ire Lane noch nicht zu sein, nachdem er das Rennen um die Vize-Position verloren hat. Das Personalkarussell in der EZB muss also fein austariert werden, um zukünftig eine Unwucht zu vermeiden.

 

 

 

Sollte Weidmann tatsächlich das Rennen an der EZB-Spitze machen, würde dies nicht auf einen Schlag die Situation an den Märkten ändern. Aber auf mittlere Sicht dürfte die Aussicht bestehen, dass die EZB ihre marktverzerrende Geldpolitik zügig zurückfahren wird. Weidmann wäre der Schleusenwärter, der die aktuelle geldpolitische Schwemme der EZB wieder eindämmen könnte.



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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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