Sonntag, 04.03.2018 20:44 von Klaus Stopp | Aufrufe: 293

Drei, vier oder doch nur zwei Zinserhöhungen in den USA?

Eine Antwort auf diese Frage erhofften sich die Marktteilnehmer von der ersten Anhörung des neuen Fed-Präsidenten, Jerome Powell, im Kongress. Das halbjährlich stattfindende Testimony vor dem Finanzausschuss des Repräsentantenhauses war die erste Gelegenheit, eine seriöse Einschätzung der zukünftigen US-Notenbankpolitik vorzunehmen. Die mit Spannung erwarteten Ausführungen lassen den Eindruck entstehen, dass die von seiner Vorgängerin eingeleitete behutsame Normalisierung der Geldpolitik auch weiterhin Bestand haben wird. Somit wird sich die Zinspolitik an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen orientieren und nicht als ausgesprochen aggressiv zu bezeichnen sein.

 

 

Die Schwierigkeit wird also darin bestehen, einen Mittelweg zwischen dem Vermeiden einer Überhitzung der US-Wirtschaft und dem Erreichen des angepeilten Inflationszieles zu finden. Sollte wider Erwarten die Konjunktur zu heiß laufen, so hat Powell bereits jetzt signalisiert, die Zinsen auch schneller anzuheben. Viele Marktbeobachter haben diesen Hinweis als Indiz für vier Zinsanhebungen in 2018 angesehen, jedoch erscheint mir diese Schlussfolgerung als zu voreilig. Denn die US-Unternehmen und somit die gesamte US-Konjunktur profitieren aktuell von einer Vielzahl von Faktoren, die nur eine begrenzte Haltbarkeit haben. So werden die jetzt wirksam gewordenen steuerlichen Effekte nicht ewig die Ertragslage der Unternehmen verbessern und auch die Schutzzölle sind nicht dazu geeignet, eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit zu erzeugen. Bezeichnete man früher die USA immer als die Lokomotive der Weltwirtschaft, so trifft die Aussage nach der Installation von Schutzzöllen und den damit provozierten Gegenmaßnahmen betroffener Handelspartner mit Sicherheit nicht mehr zu. Somit führt die „America-First“- Denkweise des Lokomotivführers D.T., dem Unberechenbaren, für die USA früher oder später aufs Abstellgleis. Es ist also noch nicht sicher, ob die US-Wirtschaft das halten kann, was man sich in den USA von den ganzen Maßnahmenpaketen verspricht und somit Jerome Powell überhaupt auf einen strafferen Kurs umschwenken muss.

 

 

 

Ob und wann die andere bedeutende Notenbank, die Europäische Zentralbank (EZB), auf den Kurs der US-Notenbank (Fed) einschwenken wird, ist die zweite an den Finanzmärkten oftmals gestellte Frage. Jedoch gibt es bereits zwischen Chef und designiertem Vize unterschiedliche Auffassungen hierzu. So sieht der neue Stellvertreter de Guindos eine Annäherung der EZB-Politik an die Fed-Vorgaben. EZB-Präsident Mario Draghi betont hingegen bei jeder sich bietenden Gelegenheit - trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs in der Eurozone - die Notwendigkeit einer sehr lockeren Geldpolitik. Hatte man nach der Veröffentlichung des Protokolls der Ratssitzung vom 25. Januar noch den Eindruck, dass sich alle Mitglieder des EZB-Rates inzwischen mit einem Kommunikationswechsel inclusive der Forward Guidance zu Anleihekäufen und Zinsen angefreundet hätten, so ist dies eher als neuerliches Indiz für die Zerrissenheit innerhalb des EZB-Rates zu werten. Vor diesem Hintergrund bekommt die im Protokoll nachzulesende Ankündigung, „die Sprachregelung zum geldpolitischen Kurs könne im frühen Jahresverlauf 2018 überprüft werden“, einen anderen Sinn. Denn dieser Prozess kann sich auch über einen Zeitraum von mehreren Sitzungen hinziehen und nicht Gegenstand eines einzigen Treffens der EZB-Ratsmitglieder sein. Es scheint also weiterhin bei den EZB-Notenbankern so zu sein, dass die Angst vor der eigenen Courage einen eindeutigen Kommunikationswechsel verhindert.



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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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