Samstag, 17.03.2018 08:28 von Klaus Stopp | Aufrufe: 412

Draghi lässt sich ein Hintertürchen offen

Am Donnerstag vergangener Woche hat Mario Draghi die meisten Finanzmarktakteure mit einem Kommunikationswechsel überrascht, den man zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt erwartet hatte. Grundsätzlich ist es so, dass die Notenbanker bei all ihren Entscheidungen immer nur zwei Möglichkeiten haben. Entweder vorweggreifen oder aber dem Druck nachgeben und reagieren. In diesem Fall hat sich das oberste Entscheidungsorgan der Europäischen Zentralbank (EZB), der EZB-Rat, für die erste Variante entschieden. Dieser Schritt wurde anschließend immer wieder als Ende der Geldschwemme bezeichnet. Bei genauerer Analyse aber kann man diesen Beschluss auch als geschickten Schachzug titulieren.

Denn die Streichung des Satzes bei der Forward Guidance „Sollte sich der Ausblick eintrüben […], so sind wir bereit, das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten im Hinblick auf Umfang und Ausdauer auszuweiten.“ ist durch das Nichtstreichen des Passus „[…] und erforderlichenfalls darüber hinaus erfolgen soll und in jedem Fall so lange, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt, die mit seinem Inflationsziel im Einklang steht.“ zu relativieren. Mit dem Hinweis auf die Inflation ist also weiterhin alles möglich. Zumal sich auch nach dem Einstellen der Ankäufe die Summe der Wertpapiere nicht automatisch verringert. Endfällige Wertpapiere werden zeitnah reinvestiert und somit bleibt die „Schwungmasse“ konstant. Diese Menge an Bonds hat inzwischen weitaus größere Bewandtnis für die weitere Zinsentwicklung als ein monatlicher Zukauf in Höhe von zehn, 20 oder 30 Milliarden Euro.

Vor zwei Jahren wurde die EZB zu einem der größten Ankäufer von Unternehmensanleihen. Dass hierbei auch Anleihen der Tochterunternehmen von u.a. Coca-Cola, Caterpillar, Anheuser-Busch angekauft werden, dient vielen QE-Kritikern als Beweis des damit verbundenen Irrsinns. Monatlich wurden seit Juni 2016 im Schnitt Unternehmensanleihen für ca. 7 Mrd. € gekauft, was wiederum nach Berechnungen der amerikanischen Anlageberatungsgesellschaft CreditSights ca. 60% der im vergangenen Jahr begebenen Anleihen in dem der EZB offenstehenden Segment entspricht. Diese Prozentzahl spricht für sich und verdeutlicht die marktbeherrschende Position der europäischen Notenbank. Im Umkehrschluss stellen sich natürlich die Investoren die Frage: Was passiert mit den Spreads, wenn der EZB-Rat ein QE-Ende beschließen sollte?

Die Auswirkungen sollten sich jedoch in Grenzen halten, denn es wird noch viele Jahre oder Jahrzehnte dauern bis die künstlich erzeugte Nachfrage abgebaut sein wird. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass uns das aktuelle Zinsniveau noch auf Jahre hinaus erhalten bleibt. Abhängig ist die Entwicklung der zu erzielenden Rendite somit in erster Linie von den in der Eurozone erzeugten Rahmenbedingungen in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht, aber auch von der Umsetzung der notwendigen haushaltspolitischen Veränderungen in den einzelnen Staaten.

Denn nach der EZB-Sitzung ist auch vor der EZB-Sitzung und man sollte nicht allzu viel in diese Anpassung des Statements, die für mich eine kosmetische ist, hineininterpretieren. Dies versuchte auch Super-Mario mit den Worten „Diese Entscheidung ist rückwärtsgewandt und ohne Signalwirkung für die Zukunft“ zum Ausdruck zu bringen.



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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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